Zufriedenheit durch Abstinenz

  • Hallo zusammen,
    ich bin jetzt 46 Jahre alt und habe mehr als die Hälfte meines Lebens gesoffen und gekifft. Ich war ein Pegeltrinker, brauchte schon am frühen Morgen 2 Bier bevor ich zur Arbeit ging und kippte während der Pausen immer etwas nach. Am liebsten war es mir, wenn ich den Tag auch gleich mit nem Joint beginnen konnte, das gab mir die nötige Lockerheit und Coolniss. Nach Feierabend ging es dann richtig zur Sache und an den Wochenenden war ich gar nicht zu bremsen. Zum Schluß ging es mir körperlich richtig beschissen, ich hing jeden Morgen über der Kloschüssel und würgte meinen Magen raus bis Blut kam. Als ich dann wegen der Sauferei meinen Job verlor war ich an dem Punkt, wo ich mir Hilfe suchen wollte und sprach mit meinem Hausarzt. Es dauerte ein halbes jahr, aber dann durfte ich erst zur Entgiftung und danach zur LZT. Das war 2006, bei der Therapie ging es vor allem um Alkohol und als ich nach vier Monaten wieder raus kam konnte ich das Saufen wirklich sein lassen. Jedoch nicht, ohne zu Kiffen. Und die Turns auf Gras waren zunächst richtig gut, ich spürte eine nie gekannte Dankbarkeit weil ich nicht mehr saufen brauchte und hatte einen direkten Draht zur höheren Macht.
    Es dauerte nicht mal ein Jahr, da hatte ich eine Psychose und litt unter verfolgungswahn und Verschwörungstheorien. Ich war im Krankenhaus und wurde mit Tavor behandelt. Einmal versuchte ich in einen Spiegel einzusteigen weil ich der Meinung war, ich könne mit meinem Spiegelbild verschmelzen und in eine andere Welt eintreten. :frowning_face: Ich war echt total im Arsch. Ich verließ das Krankenhaus auf eigenen Wunsch und ging sofort zu einer Psychologin, die mich mit Medikamenten versorgte und mir klar machte, dass ich vor allem das Kiffen sein lassen müsse. Ich ging zur Drogenberatung und mir wurde eine Therapie bewilligt. Zwei-dreimal im Abstand von meheren Wochen zoggte ich noch rum und kiffte nochmal, doch ich bekam jedesmal Verfolgungswahn und Angstzustände. Heute ist es etwa 16 Monate her, dass ich das letzte Mal gekifft habe und mit dem Saufen habe ich auch nicht wieder angefangen.
    Ich bin zufrieden und dankbar, dass es mir jetzt so geht, wie es mir eben geht. Wenn es mich mal wieder triggert und ich Lust kriege was zu nehmen dann hilft es mir, den Gedanken zu Ende zu denken und mich zu erinnern, wie es sich angefühlt hat als ich diese Angst hatte während der Psychose. Die Wahrscheinlichkeit, dass es mich wieder genau so erwischt, ist ziemlich hoch. Und es lohnt sich, ein abstinentes Leben zu führen und immer zu wissen, was man gestern gemacht oder gesagt hat. Meine Abstinenz nehme ich mir nur für Heute vor, weiter will ich da gar nicht denken. Und Morgen? Ist ein neues Heute :5:!
    Euch allen gute 24 Stunden

    Sven

  • hi sven,

    das mit dem direkten draht zur höheren macht...*ggg*.
    naja...vergängliche angelegenheit, wenns auf Thc basiert...
    oder es dreht sich halt und ist auf einmal garnicht schön!

    Finde es klasse, dass du nun sauber bist.
    Mir geht es auch oft so, dass ich tiefe dankbarkeit verspüre,
    dass ich mich nüchtern am leben erfreuen kann.
    (und es auch nüchtern ertrage, wenns gerade mal wieder
    nicht soooo bewegend läuft...)

    immer heiter weiter....LG.Gane

  • :75:wow super sven, sehr bewegend und du kannst sehr sehr stolz auf dich sein, das bist du ja auch und ich finde es gut, nur in Tagesabständen zu denken.

    Ich ziehe den Hut vor dir,

    LG Pain

  • das mit dem direkten draht zur höheren macht...*ggg*.
    naja...vergängliche angelegenheit, wenns auf Thc basiert...
    oder es dreht sich halt und ist auf einmal garnicht schön!

    Das kannste aber laut sagen. Bei mir drehte es sich um genau 180° , denn wenn es einen Gott gibt der Kontakt zu mir aufnimmt wenn ich gekifft hatte könnte es genauso gut auch der Teufel sein, der mich eben nur austrickst. Und davon war ich am Ende ziemlich überzeugt. Hatte ich den Rauch vom Cannabis zunächst mit dem Titel:" der Atem Gottes" versehen so nannte ich es später :" der Pesthauch der Hölle". Ich dachte bzw. empfand das ganze sehr naiv und nur in schwarz oder weiß. Es hat auch einige Wochen gedauert, bevor ich angstfrei U-Bahn fahren konnte ohne Sonnenbrille. :krank2:
    G24h wünscht
    Sven

  • Hi,

    in der Überschrift steckt ein spannendes Thema. Ich glaube, daß Abstinenz ohne Zufriedenheit nicht lange funktionieren wird. Doch wie erreicht man Zufriedenheit? Allein dadurch, daß man abstinent lebt? Glaube ich nicht, jedenfalls wird das langfristig nicht reichen. Es war nicht eine Droge, die zum verkehrten Denken führte, sondern umgekehrt war es falsches Denken, daß zur Droge führte. Also führt der Weg zur Zufriedenheit über den Punkt, an dem man sich selbstkritisch mit sich auseinandersetzt, warum man es ohne Droge nicht auszuhalten glaubte. Dazu gibt es ein schönes Zitat von Wilfried Reuter, einem Arzt und Meditationslehrer: "Wenn Du mit Heilung den Zustand vor deiner Krankheit verbindest, bedenke: Er trug den Krankheitskeim schon in sich"

    Das Leben muß eine völlig neue Richtung bekommen und ohne einen Leitfaden für diesen Weg wird man das Rad zum tausendsten Mal neu erfinden. Also habe ich mir einen Weg gesucht, den vor mir schon viele andere erfolgreich gegangen sind und der mir Schritt für Schritt hilft, mich mit mir auseinanderzusetzen und so die Grundlage für eine zufriedene Abstinenz zu schaffen. So sieht jedenfalls mein Weg aus, bis heute: sich jeden Tag neu erforschen. Das heißt nicht jeden Tag in Klausur zu gehen, sondern achtsam durch den Tag zu gehen, achtsam auf sich, auf seine Gefühle, die man früher betäuben mußte.

    Grüße

    det

  • Hallo ,
    fast zwei Jahre später bin ich immer noch zufrieden, dass ich nicht mehr saufen muss. Es macht mir zwar zu schaffen, dass ich mich beruflich nirgends eingliedern kann und mittlerweile bin ich bei Hartz 4 gelandet, doch ein Grund zum wegballern ist das nicht. Na ja, jobmäßig hab ich mich letztes Jahr zum Berufskraftfahrer ausbilden lasen und es in zwei Firmen probiert, aber was da verlangt wird bin ich nicht bereit zu geben. Die lutschen dich aus wie ne Zitrone. War früher eben zu ertragen mit 1,5 % Alk im Blut, da hab ich geschindert wie ein Ackergaul und war auch noch stolz drauf. Damit war der Beweis erbracht, alles halb so wild.
    Heute siehts anders aus, die miesen Gefühle müssen ausgehalten werden. Und wenn es nicht mehr geht weil 60 Stunden in der Woche arbeiten und nur 40 bezahlt kriegen ein Zustand ist der nicht geht dann ziehe ich die Konsequenzen und schmeisse es hin. So beschissen wie derzeit hats auf dem Arbeitsmarkt selten ausgesehen. Beim letzten Vorstellungsgespräch fragte mich mein Gegenüber, wo denn meine " Schmerzgrenze " liege als es um die Frage der Bezahlung ging und ich war hinterher dermaßen voller Groll und Ärger das ich kaum wusste, wie ich damit umgehen soll. Klar kam da auch der Gedanke auf, jetzt ein paar Bier in den Schädel zu knallen würde alles eindämmen, erträglicher machen, in Watte packen.
    Aber erstens würd ich nicht nur ein paar Bier trinken sondern saufen bis zum Umfallen und zweitens würden sich die miesen Gefühle dadurch noch verstärken weil zu allem Übel das schlimmste Übel auch noch dazu käme. Und lange dauern würde es nicht bis ich wieder voll drauf wäre, da bin ich mir sicher.

    Jetzt macht mir nur meine Schlaflosigkeit etwas zu schaffen, der Rythmus ist total im Eimer. Kein Wunder, wenn man den ganzen Tag nix zu tun hat :-).

    Machts gut

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