Hallo Forum, will mir einfach mal was von der Seele schreiben, vielleicht ergeht/erging es euch ähnlich wir mir, und ihr habt Ratschläge.
Ich bin mir nicht sicher, ob das Topic hier reinpaßt, aber ich denke, es geht hier ja sehr um die Sucht und deren Auswirkungen. Außerdem möchte ich diesen Thread gerne als eine Art Blog nutzen, wo ich wichtiges niederschreibe; Fortschritte, Rükfälle, Gedanken. Es darf gerne kommentiert werden.
Ich habe gerade eben meine Sucht“Karriere“ in einen Zeitstrahl eingetragen, wann ich mit was angefangen habe, wann auf ich Entgiftungen war und andere besondere Ereignisse (Trennung, Kennenlernen meines Mannes, Schwangerschaft, etc) eingetragen. Ich wollte einfach mal einen Überblick über die verkorkste Zeit.
Um mich kurz zu fassen, ich bin seit Mitte 05 Heroin-Abhängig (davor die anderen klassischen Drogen beginnend mit Alkohol, Zigaretten, Thc, XTC, (Metha)ampetamin konsumiert)
Seit Januar 08 befinde ich mich in Substitution. Das stellt für mich einen Cut da, einen Strich zwischen der schlimmen, chaotischen Zeit ohne Hilfe und der Zeit struktuierten Zeit mit Hilfe.
Die Jahre zwischen der beginnenden körperlichen Herion-Abhängigkeit und der Substitution waren geprägt von Lügen, Diebstahl, kalten Entzügen zuhause, 2 stationären Entzügen, Dealerei, Ärger mit der Polizei, wehselnde Kontakte zu Junkies, etc.
In einer kurzen Cleanphase lernte ich meinen jetzigen Freund/Verlobten kennen. In der Beziehung konsumierte ich weiter, konnte es eine zeitlang vor ihm versteckten. Nach einem halben Jahr rückte ich mit der Wahrheit raus, er hatte es geahnt. Es folgten Entzüge zuhause, ein stationärer Entzug. Lange blieb ich nie clean. Außerdem nahm ich ab und an Benzos, meist zum Geldtag.
Nach anderthalb Jahren Beziehung wurde ich schwanger. Ich bin so dankbar, dass unser Kind gesund zur Welt kam, obwohl ich auch in der Schwangerschaft „ab und an“ konsumierte. Da es so nicht weitergehen konnte und weil ich meinem Kind nicht weiter schaden wollte, ging ich in Substitution.
Seitdem ist mein Leben geregelter. Mein Wunsch nach Abstinenz wird großer und ich arbeite an mir (Psychotherapie und ADS, die meine Depressionen im Zaun halten.
Vielleicht kann man es aus meinem Text herauslesen, vielleicht auch nicht. Problem ist: mich machen die Gedanken an die Vergangenheit so fertig. Ich will, dass diese Zeit zur Vergangenheit gehört, so habe ich es auch mit meiner Therapeutin besprochen. Vergangenes kann man nicht mehr ändern, ich soll nach vorne schauen. Ist aber einfacher gesagt, als getan...
Natürlich blicke ich, schon wegen meinem Kind, in die Zukunft. Und vor einigen Wochen hat es diesen „Klick“ gegeben. Ich will den H-Konsum und Benzo-Konsum nicht mehr. Auch wenn er selten und in geringen Dosen stattfindet. Ich will das nicht mehr. Ich will mein Polamidon noch eine zeitlang nehmen und dann abdosieren. Mit meinem Arzt habe ich heute besprochen, das Diazepam ganz abzusetzen. Ich habe mich gut runterdosiert und jetzt bin ich bereit für die 0-Marke. Soetwas macht mich stolz.
Aber was mich so sehr belastet, seit es diesen „Klick“ gab, ging das Craving zurück, der Suchtdruck erscheint leichter. Es ist keine „Strafe“, kein Zwang nichts zu konsumieren, es ist meine eigene Entscheidung. Und jeder Tag ohne H-Beikonsum gibt mir Kraft weiterzumachen. Zu kämpfen. Klingt doch gut, wird mancher Leser denken.
Die Kehrseite: seit ich nicht mehr jeden Gedanke ans H verschwende tauchen wahnsinnige Schuldgefühle auf (ein Grund auch, warum ich immer wieder konsumiert habe) Ich schäme mich, vor meinem Mann, meinen Eltern, vor meinem Sohn. Ich habe soviel Unheil angerichtet. Ich habe Geld ausgegeben, für diesen Dreck. Über den Daumen gepeilt 29.000 Euro. In 4 Jahren. Mir ist das alles so unangenehm. Ich habe in Läden geklaut wie ein Rabe und das Zeug weiterverkauft. Ich habe meinen Eltern 3000 Euro geklaut (nicht aufeinmal, sondern nach und nach). Meine Ersparnisse von 2500 Euro weg. Ich habe meinen Freund beklaut, ich habe meinen Schwager beklaut, meine Oma, meine Schwester, meine Schwiegermutter, meine Tante...das ist ein Punkt, der mir sehr zu schaffen macht.
Im nach hinein ist mir mein Verhalten auch peinlich. Ich bin nach zuvielen Benzos während der Arbeit am Computer eingeschlafen, es gibt ein Foto davon, wie ich mit dem Kopf auf der Tastatur liege. In der Uni bin ich sabbernd auf meinem Stuhl eingeschlafen.
Ich wurde abgezogen, hatte einmal ein Messer am Hals und habe viel mitbekommen, was ich nie wissen wollte. Mädchen und Frauen, die sich über den Strich unterhielten, das ganze Elend.
Ich selbst habe nur einmal Geld für Sex verlangt, dass der Typ gut aussah, ist egal. Ich bin einmal anschaffen gegangen. Ich schäme mich vor mir selbst.
Ich schäme mich dafür, wie ich meinen Freund behandelt habe. War ich affig, habe ich ihn nach Geld angefleht, ich habe ihn gedroht, mir was anzutun, ...Ich bin so dankbar, dass er noch heute zu mir steht, Wir besuchen eine Paartherapie, die gut hilft.
Es gibt soviel Situationen und Erlebnisse, ich denke, jeder H-Abhängige kennt das.
Ich weiß, um damit zurechtzukommen, muss ich das alles verarbeiten. Aber das bedeutet, dass ich mich damit auseinandersetzen muss. Und das will ich nicht. So wie ich das hier schreibe, ich kann nicht fassen, das ICH das war. Es ist furchtbar. Die Vergangenheit kann ich nicht ändern, meine Zukunft kann ich gestalten und alles anders/besser machen.
Kann man die Vergangenheit einfach so hinter sich lassen? Wie geht ihr damit um? Habt ihr euch für euer Verhalten entschuldigt, reinen Tisch mit Leuten gemacht, Fragen geklärt? Wie geht ihr mit eurer Sucht-Vergangenheit um (süchtig bleibt man immer), ich weiß nur nicht, wie ich diese Zeit anders nehmen soll
(eine Bitte: verurteilt mich nicht wegen der Straftaten, die ich begangen habe, es war falsch, aber ich konnte damals nicht anders)
Danke fürs Lesen
Liebe Grüße Kull(er)bunt