Die Geschichte meiner Sucht

  • Hallo Ihr!

    In meiner Geschichte geht es darum, wie die Sucht über Jahre von einem Menschen den Besitz ergreifen und welche ungewöhnliche Formen sie annehmen kann. Hier geht es speziell um Cannabis. Die Geschichte ist aus dem wahren Leben gegriffen und ich bin der Hauptakteur. Ursprünglich wollte ich nur einen kurzen Beitrag für die Rubrik "Suchterkrankungen" verfassen, bis ich merkte, wieviel ich eigentlich zu sagen hätte und was alles damit zusammenhängt. So entschied ich mich, eine Kurzgeschichte zu schreiben und diese Teil für Teil in der literarischen Rubrik zu posten. Hier ist der 1.Teil. Wundert Euch bitte nicht über eiige Defizite in meiner Grammatik und Rechtschreibung, Deutsch ist nicht meine Muttersprache... :21: Hauptsache, ihr versteht, was ich sagen will. Fragen und Kritik sind natürlich willkommen! Viel Spaß!


    Vorwort

    Da ich mich in meiner Freizeit bereits viel und ausgiebig mit Psychologie, Esoterik oder Wirkung der bewusstseinsverändernden Substanzen aufs menschliche Gemüt beschäftigt habe, musste ich wohl oder übel eine Sache begreifen: es gibt niemanden da draußen, der mir bei meinen Problemen wirklich helfen kann; ich meine es wird keine gute Fee oder kein Zauberer im Gestalt eines Freundes oder eines Arztes erscheinen, welcher nur mit dem magischen Stab zu wedeln braucht, damit all die Leiden und Schmerzen, Süchte und Konflikte weg gefegt werden. Und genau diese Erkenntnis lässt mich immer wieder ängstlich und unruhig werden: ich bin im Grunde genommen einzig und allein auf das unerforschte, unberechenbare Wesen gestellt – auf mich selbst. Alles andere ist „nur“ die Hilfe zur Selbsthilfe – ein weiser Rat, eine unterstützende Tat, ein kompromissloser Arschtritt - , was einen aus dem dauerhaften Zustand des Elends herausreißt. Doch nichts und niemand kann es gewährleisten, dass man nicht schon nach einer kurzen Zeit wieder in die alten Verhaltenmuster verwickelt ist. Das hängt einzig und allein von mir selbst ab.
    Ich versuche mir selbst zu helfen, in dem ich das alles niederschreibe und was ich von Euch will ist weder Mitleid, noch ein Urteil noch eine treffsichere Lösung. Ihr seid meine interaktiven Zuhörer, welche mich nicht mitten im Satz unterbrechen, noch vorwurfsvoll oder mit Besorgnis ansehen werden. Schon nach paar Zeilen merke ich, dass es mir gut tut zu schreiben und ich hoffe, dass es euch genau so gut tut, es zu lesen. Und egal, wie wirr oder ungewöhnlich einige meiner Gedankengänge sein mögen, will ich Euch versichern, dass es sich hiermit nicht um eine Fake - Geschichte handelt. Mich gibt es wirklich und auch das Problem, welches ich habe, ist durchaus real und ernst.
    Habe ich wirklich ein Problem? Kaum eine Person, welche mir nicht besonders nah steht oder mich gar nur flüchtig kennt, würde es mir glauben. Ich bin ein dreißigjähriger Mann mit gesunder Ausstrahlung und gepflegter Erscheinung. Ich habe einen akademischen Grad in den Geisteswissenschaften (auch wenn mein Studium doch etwas zu lange gedauert hat – eine satte runde eins auf dem Abschlusszeugnis lässt diese Tatsache in den Hintergrund rücken). Meine Abschlussarbeit wurde als Buch veröffentlicht. Ich habe keine Schulden (außer beim Bafög-Amt – aber das zählt nicht). Ich habe seit sechs Jahren eine Freundin, mit der ich vor einem halben Jahr zusammengezogen bin. Meine Klamotten sind zwar nicht gebügelt, aber immer frisch gewaschen. Ich erledige jeden Tag die nötigen Hausarbeiten, damit die Wohnung nicht verkeimt. Ich komponiere Musik, ich lese viel, ich schreibe und das alles am liebsten im Marihuana – Rausch. Ja, das ist meine Belohnung: Nach dem ein weiterer Tag mit Würde und Bravour bestanden wurde, lasse ich mich in den Sessel fallen und drehe mir einen Joint und widme mich den schönen Dingen des Lebens. Jeden Tag. Und genau DAS ist mein Problem.


    Teil 1. Schulzeit

    In den frühen 90-ern verließ ich mit meiner Familie unsere Heimat und wir siedelten nach Deutschland über. Ich war damals fünfzehn und im Vergleich zu vielen Landsleuten meines Alters mit einer extremen Neugier ausgestattet, die mich keine einzige Minute nostalgisch werden ließ. Während die anderen Teennager in unserem Wohnheim am Rande von Ostberlin ihre Zeit mit Schlägereien und Alkohol vertrieben, lernte ich die Sprache, übersetzte die Kinderbücher, sah viel fern und ließ mich von der neuen Kultur und dem mir bis dahin unbekannten Lifestyle begeistern. Der Preis, den ich dafür bezahlen musste, war die völlige Isolation. Ich war der Freak, mit dem keiner so richtig was anfangen konnte.
    Ein Jahr später zogen wir in unsere erste Wohnung und ich besuchte eine deutsche Schule. All das änderte nichts an meiner sozialen Situation. Die Schüler an der neuen Schule ließen sich damals in zwei Sorten unterteilen: langweilige Nerds und hohlköpfige Rassisten. Die ersten duldeten mich, die zweiten hassten mich. Erst Jahre später bildete sich allmählich eine dritte Gruppe heraus – die Alternativen. Mein Akzent und meine seltsamen Züge schienen sie nicht im Geringsten zu stören; ganz im Gegenteil, sie fanden mich anders und deswegen interessant. Sie mochten keine 08/15 - Typen. Ich hatte meinen ersten Freundeskreis. Es folgten Partys, Konzerte, die ersten Ausschweifungen (das war der Sommer 1996, der letzte, dem ich sehnsüchtig hinterher blicke), Alkohol und natürlich Dope.
    Alkohol war nie wirklich mein Ding gewesen; lediglich dafür da, um sich in der Gesellschaft zu lockern und auf der gemeinsamen Welle zu sein. Der einzige Schaden, den ich im alkoholisierten Zustand erlitt, war der Verlust von einem 20Dm-Schein, was für einen Schüler in den 90-ern schon etwas dramatisch war. Das hat sich bis heute nicht geändert. Ungefähr ein Mal in zwei Wochen lasse ich mich beim Weggehen volllaufen, um dann eine ganze Weile das Zeug nicht anzurühren. Mit dem Kiff sah und sieht es leider ganz anders aus. Ich liebe das Zeug und ich hasse mich dafür.
    Cannabis schien für mein sensibles und neugieriges Gemüt genau das Richtige zu sein. Ich hörte und sah Dinge, die nicht da waren. Ich hatte Ideen und Einfälle, die mich selbst überraschten und begeisterten. Je grauer und langweiliger und stupide die Realität zu sein schien, umso mehr versank ich in der Welt der Visionen, verschärften Empfindungen, dreidimensionalen Bilder und mystischen Klangcollagen. Das war die Zeit, als ich nach einem sehr guten Realschulabschluss mein Abitur machte. Das war die Zeit, in der ich zum ersten Mal ernsthafte Probleme bekam. Meine Leistungen wurden immer schlechter und ich konnte den Druck immer weniger aushalten. Ob die Drogen und die Partys schuld daran waren? Jein. Sicherlich lag es unter anderem auch daran. Doch was mir am deutlichsten in Erinnerung geblieben ist, war mein Hass auf das Schulsystem, auf das einerseits autoritäre, andererseits gleichgültige Gehabe der Lehrer, auf die deprimierende Atmosphäre Ostberliner Randbezirke. Und obwohl ich nun stets von Menschen umgeben war, glaube ich mich zu erinnern, dass die Einsamkeit mich weiterhin in ihren Krallen festhielt, wenn auch nicht mehr so offensichtlich wie vor paar Jahren.
    Die Sorge und die Unverständnis meiner Eltern (die übrigens bis heute von meiner „Passion“ nichts wissen) wuchs immer mehr. Doch mir war das alles egal. Ich hatte meine Welt, welche von drei Dingen bestimmt war: guter Rausch, gute Musik, gute Freunde. Mitten in der zwölften Klasse blieb ich sitzen. Angst, Panik und Neurosen folgten. Die Kifferei, welche bis dahin vorwiegend eine Wochenendbeschäftigung war, wurde wichtiger denn je. Die Visionen ließen nach, doch nun benötigte ich jeden Abend wenigsten einen Zug, um nachts schlafen zu können und nicht, von der Angst und dem Selbstzweifel zerfressen, bis sechs Uhr morgens wach zu liegen und am nächsten Tag weder ansprechbar noch funktionsfähig zu sein. Zu großer Überraschung meiner Eltern und Freunde, hab ich die Kurve schließlich hingekriegt und mein Abitur mit 3,3 bestanden. Ich fühlte mich gut, ich fühlte mich groß und ich glaubte, dass ich kein Problem haben könnte. Denn schließlich ist ja alles gut ausgegangen. Ich hatte mehr geschafft, als die Leute aus meinem nahen Umfeld je geglaubt hätten. Wer sollte mir da noch etwas vorwerfen?

  • Teil 2. Die ersten Jahre an der Uni.

    Ein halbes Jahr später war ich bereits an einer Universität in Berlin und studierte Geisteswissenschaften. Die ersten Jahre waren eine unvergessliche Zeit. Ich lernte viele Leute kennen, besuchte interessante Veranstaltungen, eine Partyeinladung jagte die nächste. Ich fühlte mich wohl, ich fühlte mich immer noch groß und in meiner „vernebelten“ Herangehensweise an die wichtigen Dinge des Lebens bestätigt. Ich hatte kein Problem. Ich verbrachte meine Tage nicht mehr in den zubetonierten Ghettos, sondern im Herzen der Hauptstadt. Um mich herum waren keine pöbelnden Faschistenschweine mehr, sondern laute interessante Menschen aus der ganzen Welt. Keine desinteressierte und nach Alkohol stinkende Aushilfslehrer mehr, sondern engagierte Professoren aus Stuttgart, Paris und New York. Keine Wahrscheinlichkeitsrechnung, kein Mannschaftssport, dafür Vorlesungen über Literatur, Geschichte, Kunst und Religion. Mein Leben war viel besser, spannender und edler geworden, doch nichts lag mir ferner, als der Gedanke, der Welt mit meinem echten, unberauschten Ich zu begegnen. Wie hätte ich das auch anstellen sollen, wenn mein unberauschtes Ich mir selbst mittlerweile absolut fremd geworden war?
    Der Drogenkonsum in meinem alten Freundeskreis nahm zu. Einige meiner alten Schulfreunde fingen an zu dealen und es war fast kein Problem mehr, an das Zeug ran zu kommen. Langsam hatte ich die intellektuellen Gespräche in den Kneipen und Besuche in den Kunstausstellungen mit meinen neuen Uni-Freunden satt und vertrieb mir die Zeit in den verkeimten Buden meiner ehemaligen Schulkameraden. Nicht, dass ich die Leute besonders aufregen fand. Alles was ich wollte war, mich bis Mitternacht voll zu dröhnen, um danach nach Hause zu gehen (ich wohnte damals bei meinen Eltern), mich heimlich auf mein Zimmer zu schleichen, wo ich ganze Nächte mit Musik machen oder Gedichte schreiben verbrachte. Es war die Zeit, in der ich anfing, mich wie ein Genie, wie ein Schamane aufzuführen, der mit Hilfe von bewusstseinsverändernden Substanzen Botschaften aus einer anderen Welt empfing. Dass ich lediglich wie ein dummer Teenager meine Lieblingsmusiker und Schriftsteller nachahmte, ohne auch nur annähernd an ihre Leistungen heranzukommen, wäre mir damals nie in den Sinn gekommen.
    Meine Eltern merkten immer mehr, dass mit mir etwas nicht stimmte. Schließlich schlugen sie mir vor, auszuziehen. Zu der Zeit hörte ich komplett auf, am Familienleben teil zu nehmen und erschien zu hause nur, um eine kalt gewordenen Mahlzeit in mich hinein zu würgen und meinen Rausch auszuschlafen. Am nächsten Tag als erstes zum Telefon greifen, mich so schnell wie möglich mit jemanden verabreden und mit Hilfe von Bier und Cannabis wieder den „normalen“ Zustand erreichen. Mein Kleiderschrank stank nach Kotze, Rauch und Alkohol, die Vorhänge waren meist zugezogen, der Teppich total verdreckt. Keiner aus meiner Familie traute sich, mein Zimmer zu betreten. Allmählich fing ich an, meine Eltern wie meine schlimmsten Feinde zu behandeln. Jede Frage nach meinem Wohlbefinden oder meinen Leistungen an der Universität fasste ich als Absicht auf, mich zu kontrollieren und brachte ihnen, den Menschen, die schon immer nur mein Bestes wollten, eine geballte Ladung Hass und Respektlosigkeit entgegen. Einerseits aus Egoismus und andererseits aus Hilflosigkeit, da ich zu feige war, mich als „Junkie“, zu outen und ihnen ein Ultimatum zu stellen, wie einige meiner Freunde es getan haben: „So bin ich halt, wenn es euch nicht passt, dann gehe ich einfach“. Ich ging einfach und ließ sie verwirrt und gekränkt zurück.
    Ein Winterabend 2002. Eine kleine Einraumwohnung. Der Geruch von Marihuana hängt schwer in der Luft. In allen Ecken stehen leere Weinflaschen. Auf dem Holztisch liegen eine Plastikkarte, ein Taschenspiegel und ein Döschen mit Speed. Auf dem Bett liegen zwei halbnackte Mädels und fummeln an sich rum. Psytrance dröhnt aus den Boxen. Eins der Mädchen, das später meiner Lebensgefährtin werden sollte, streckt ihre Hand nach mir aus. Ich bemerke, dass der Körper des anderen Mädchens mit Akne übersäht ist. Gleichzeitig spüre ich einen Stich im linken Arm. Ich werfe mir einen Bademantel über und flüchte in die Küche. Ich rauche eine Zigarette und versuche mich zu beruhigen.
    Nach einer kurzen und intensiven Partyzeit in der neuen Wohnung, wo ich so gut wie nie allein und trotzdem oft genug einsam war, setzte die Zeit der Depression ein, die noch ein paar Jahre andauern sollte. Ich hielt mich der Uni fern, nahm zehn Kilo ab und verbrachte die meiste Zeit zuhause; rauchte Pot, las und komponierte Musik. Ich wurde ziemlich paranoid. An einen Abend kann ich mich noch sehr genau erinnern: es war 2003, an dem Tag als die Truppen der Vereinigten Staaten in den Bagdad einmarschierten. Neben meinem Wohnblock befand sich eine Hauptstrasse mit den Tramgleisen, welche paar mal im Jahr gereinigt wurden, was einen höllischen Lärm verursachte. Ich weiß nicht, ob ich das bis dahin noch nicht mitgekriegt oder ob mein Hirn vom Dope und ständiger Traurigkeit mal kurz ausgesetzt hatte. Jedenfalls, stand ich am Fenster und starrte in den nächtlichen Himmel, weil ich mir sicher war, dass die amerikanischen Kampfflugzeuge über Berlin fliegen. Ich schloss mich tagelang ein, ging selten ans Telefon und dröhnte mich regelmäßig zu, um nicht an die Zukunft zu denken.
    Immer mehr stellte ich fest, dass mein Freundeskreis mich total anwiderte. Es störte mich, dass die Leute jeden Tag zu mir kamen, um bei mir anzuhängen. Später bekam ich immer öfters mit, dass sie hinter meinem rücken über mich lästerten; darüber, dass meine Freundin angeblich eine Schlampe sei, dass ich langweilige „Bum-bum-bum“-Musik machen würde und so weiter. Daraufhin distanzierte ich mich von ihnen. Zu der Zeit fingen einige von ihnen an, Kiff im großen Stil zu verkaufen. Ich wollte die Leute also weder in meiner Wohnung haben, noch hatte ich Lust, sie zu besuchen. Wie sollte ich mich wohl fühlen, zwischen den paranoiden und gereizten Kreaturen, die eins meine Freunde waren, zwischen zugekifften Hiphopern mit Buldogenvisagen, zwischen Alditüten voll mit Gras, Schusswaffen und Geldbündeln auf dem Tisch. Ich verließ sie einfach, ohne Erklärung, ohne Aussprache. Ich verbannte sie aus meinem Leben und ich halte diese Entscheidung nach wie vor für absolut richtig. Und wieder war ich einsam und allein. Die letzten paar Personen, die ich in der Zeit an mich ranließ, konnten mir da beim besten Willen auch nicht helfen. Nada. Sackgasse.
    Was nun?
    Eines Abends besuchte ich meine Eltern. Wir saßen in der Küche und meine Mutter fing mit unangenehmen Fragen an, die meine Leistungen an der Uni und meine Zukunft betrafen. Ich sprang genervt auf und war im Begriff meine Jacke zu schnappen und aus der elterlichen Wohnung zu flüchten, als mein Vater mir schweigend den Weg versperrte. Ich sah im in die Augen und wusste, dass seine und Mum’s Geduld nun endgültig am Ende war. Ich gab mich geschlagen und nahm wieder Platz am Küchentisch. Nach drei Stunden und vielen unangenehmen Worten, die mich innerlich vor Wut und Hilflosigkeit erzittern ließen, gab ich ihnen das Versprechen, mein Studium so schnell wie möglich zu beenden.
    Das tat ich letztendlich auch und wendete die alte „Peitsche und Zuckerbrot“ – Methode an, die mich durch mein Abitur gerettet hatte. Kiffen und lernen und wieder kiffen und weiterlernen und abends paar Gläschen Schnaps, damit ich nachts nicht von Ängsten und dem Selbstzweifel wach gehalten werden konnte. Dann kam die Zwischenprüfung. Im ersten Fach bekam ich eine drei, im zweiten eine volle eins. Die Zwischenprüfung war mit einer zwei erfolgreich bestanden. Mal wieder hatte ich alle Erwartungen meiner Eltern übertroffen. Mal wieder fragte ich mich, ob man angesichts dieser Leistung behaupten könnte, dass ich ein Problem hätte…

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