Hallo zusammen,
ich bin schon seit 15 Jahren nachweislich beikonsumsfrei mit Subutex substituiert. Vor ein paar Monaten musste ich den Arzt wechseln. Obwohl ich in einer Großstadt lebe, finde ich es recht schwer, einen guten Arzt zu finden, der Substitutionsbehandlungen für Opiatabhängige anbietet. Meiner Meinung nach bieten viele Ärzte die Behandlung aufgrund der finanziellen Vorteile an. Die Patienten werden oftmals unterirdisch behandelt. Respektlos und menschenunwürdig. „Mit Junkies kann man es ja machen. Denen glaubt keiner und beschweren tun sich die wenigsten….“
Zurück zum Thema: Wie erwähnt habe ich meine Sucht schon 15 Jahre lang im Griff, auch dank der Substitution mit Subutex. Ergebnisse der jahrelangen Drogenscreenings, die meine Aussage bestätigen, konnte ich meinem neuen Arzt vorlegen. Er erwähnte bei unserem ersten Gespräch, dass bei Verdacht des Drogenkonsums Urinkontrollen unter Sicht abgegeben werden müssten. Ich dachte mir nur, diese Verdachtsmomente würden bei mir ohnehin nicht aufkommen. Somit blieb ich vorerst unbesorgt. Meine früheren Ärzte haben glücklicherweise nicht auf (meiner Meinung nach) ein solch menschenunwürdiges Verhalten der Urinabgabe unter Sicht bestanden. Allerdings gab es mit diesem Arzt schon zu Behandlungsbeginn Probleme. Als mir eröffnet wurde, ich müsse die erste Urinkontrolle unter Sicht abgeben. Um meinen guten Willen zu zeigen, ließ ich mich mit tiefstem Unbehagen und voller Unzufriedenheit dennoch darauf ein. Ich versuchte, meinen Stolz und meine Würde zu vergessen, während ich tat, wie mir geheißen. Bis die Arzthelferin, die nicht mal einen Meter vor mir stand, während ich versuchte, Urin zu lassen, sich nach vorne beugte, um mir besser zwischen die Beine schauen zu können. Das war zu viel des Guten! Ich brach ab und weigerte mich, eine solch menschenunwürdige Behandlung zuzulassen. Nun wurde mir gedroht, ich würde mein Medikament nicht erhalten, wenn ich hierbei nicht mitspielte. Den Arzt zu sprechen, wurde mir ebenfalls verweigert. Nun kann mancher hier sich vielleicht vorstellen, wie panisch ich wurde. Ich sah meine jahrelange Abstinenz den Bach runtergehen. Denn die Angst, das notwendige Medikament nicht zu erhalten, ist bei mir nach wie vor sehr groß. Nach so vielen Jahren ist diese Situation unvorstellbar für mich! Vermutlich hätte ich versucht, Subutex auf illegalem Wege zu beschaffen. Wer weiß, wie das geendet wäre. Nachdem ich der Praxis vorwarf, dass sie meine Abstinenz gefährden, wurde doch ein Kompromiss gefunden. Ich durfte unter Aufsicht einen Speicheltest machen. Nun hoffte ich, diese Situation zukünftig meiden zu können.
Die Behandlung lief weiter und ich ordnete mich den wöchentlichen (stets negativen!) Drogentests unter. Getestet wurde zwar der Urin, aber immerhin war niemand direkt auf der Toilette anwesend. Aber auf der Toilette ist, wie in vielen Arztpraxen üblich, ein Fenster, um den Urinbecher dort abzustellen. Dieses quadratische Fenster hat einen Durchmesser von mindestens 40cm. Man kann es nur von der Seite des Labors öffnen oder schließen. Es befindet sich ca. 1m weit weg von der Toilettenschüssel mit voller seitlicher Sicht auf diese Toilette. D.h. wenn das Fenster vom Labor geöffnet wird, während gerade jemand die Toilette nutzt, schaut derjenige direkt auf dessen nackten Hintern! Nun hatte ich die Hoffnung, dass man sich dessen in dieser Praxis ja sicherlich bewusst ist und dementsprechend vorsichtig mit diesem Fenster agiert wird. - Von wegen! Zu oft wurde dieses Fenster geöffnet, während ich gerade die Toilette benutzte. Leider wurde es auch schon zweimal von dem anderen Geschlecht also einem Mann (vermutlich Laborassistent) geöffnet, während ich auf der Toilette war. Das erste Mal dachte ich noch, es war vielleicht ein Versehen. Es würde ab nun sicherlich besser darauf geachtet werden, sodass diese Situation nicht mehr vorkommt. Beim zweiten Mal war ich schon wirklich sauer. Es wurde sich daraufhin nicht mal entschuldigt. Stützt wieder meinen Eindruck: „Mit den Junkies kann man es ja machen.“ Nun hatte ich die Nase voll und befestigte das nächste Mal, als ich diese Toilette nutzen musste, eine Art Sichtschutz. Dieser deckte nicht alles ab, aber einen großen Teil der Sicht versperrte er. Nun öffnete man wieder dieses Fenster während ich gerade auf der Toilette war. Anstatt wegen des Sichtschutzes vielleicht zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass hier ein Mensch ist, welcher sich in seiner Intimsphäre gestört fühlt, zückt (dieses Mal eine Arzthelferin) ihr Handy und beginnt Fotos zu machen. Während ich wohlgemerkt noch auf der Toilette war! Und die Ansicht dessen nur teilweise durch den laienhaft angebrachten Sichtschutz, der gerade fotografiert wurde, begrenzt war. Ergo womöglich hat sie stellenweise Fotos von meinem Hintern gemacht! - Jetzt war das Fass wirklich voll!! Ich werde auf schnellstem Weg die Praxis wechseln!
Nun meine Fragen:
Einerseits aus moralischer Sicht aber definitiv interessiert mich ebenfalls die juristische Seite!
- „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Gilt das auch für suchtkranke Menschen oder greift für diese Menschen kein GG? -provokant gefragt.
- Ich habe von einem Gefängnisinsassen gelesen, der geklagt hat und dem Recht zugesprochen wurde. Urinkontrollen unter Sicht hätten sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Gilt dies nicht ebenfalls in einer solchen Situation? Oder sogar insbesondere in einer solchen Situation?
- Bin ich wirklich die einzige Substitutionspatientin, die das als menschenunwürdig empfindet?
Ich habe das Gefühl, es gibt zu wenig Menschen, die sich darüber beschweren. Denn unzumutbare bzw. menschenverachtende Situationen erleben diese Personen tagtäglich. Außerdem schenkt man Süchtigen weder Glauben, noch setzt man sich für sie ein. Vielleicht bewirkt mein Text etwas. Ich würde zu gerne den Spieß umdrehen und wette kein Mitarbeiter dieser Arztpraxis würde so mit sich umgehen lassen!
Ich freue mich über jede Antwort. Danke im Voraus!