Meine Schwester bittet mich um Hilfe und jetzt bin ich die Böse

  • Hallo liebe Gleichgesinnte,


    Ich habe ein großes Problem mit dem Verhalten meiner (4 Jahre älteren) Schwester.

    Diese hat mich vor einem Jahr um Hilfe gebeten.


    Zunächst die allgemeinen Hintergründe:

    Sie wohnte in einem Mietshaus in einem kleinen Dorf, mit einem schlechten Umfeld, ohne Möglichkeiten, sich dort aus ihrer Situation zu lösen. Sie bekam Bürgergeld und nach dem Auszug ihres Partners (von dem si sic nac 12 Jahre endlic getrenn hat) und ihrer älteren Tochter, war das Haus zu groß für Sie und ihren Sohn.

    Zur finanziellen und anderer, direkterer Hilfe, habe ich ihr vorgeschlagen, ihr den Umzug in meine Stadt (Berlin) zu ermöglichen. Diese Hilfe hat sie bereitwillig akzeptiert.

    Der Plan war, ihre Möbel in meiner alten 1 Zimmer Wohnung unterzustellen und sie mit ihrem Sohn und der Katze in unserer 3 ZKB Wohnung aufzunehmen bis sie hier in Berlin eine richtige Unterkunft gefunden hat.

    Vor einer Wochen haben wir meine Schwester also zu uns geholt. Allerdings hat der Kindsvater ihrem Sohn, der sich das ganze Jahr über schon auf den Umzug gefreut hat, eine übermäßige Angst vor dem Umzug eingeredet, sodass dieser ganz plötzlich nicht mehr mit wollte. Nun versucht sie, das alleinige Sorgerecht zu erwirken.


    Beim Umzug war meine Schwester dann mega "angepisst" verärgert und bockig, wollte sich von keinem noch so kaputten Möbelstück trennen und auch jeder letzte Joghurteimer und jeder der 35 Plastikkörbe sollte mit...

    Freitags sind mein Ehemann und ich dann mit dem was ins Umzugsauto hinein gepasst hat und dem privaten Auto nach Berlin gefahren. Meine Schwester sollte mit den letzten Sachen und der Katze mit dem Zug nachkommen. Ich habe mir ein Bein ausgerissen, um zu ermöglichen, so viel wie möglich noch mitzunehmen. Habe sogar für 200€ noch einen Fahrradträger für das Auto gekauft, um die Fahrräder, die nicht mehr in den Umzugswagen gepasst haben, doch noch mitnehmen zu können. Statt Dankbarkeit kam aber nur gemaule über das was nicht mitgenommen werden konnte.

    Vergangenen Dienstag hatten wir dann endlich alles in Berlin.

    Am Mittwoch habe ich meiner Schwester dann die wichtigsten Gebäude gezeigt:

    - die 1 Zimmer Wohnung

    - das nächste Kaufcenter (Kleidung, Schuhe etc.)

    - den nächsten Supermarkt

    - das zuständige Bürgeramt

    Und wie sie zum Jobcenter kommt.


    Donnerstag hat sie dann erstmal lange geschlafen. Gut, nach so einem stressigen Trip, kann man auch mal ausschlafen und sie hat es offensichtlich gebraucht. Das sie es dann nicht mehr zum Bürgeramt geschafft hat ist verständlich. Sie sagte dann zu mir, sie wolle Freitag früh (also heute) dort hin.

    Das Bürgeramt schließt um 13h. Nachdem es schon sehr schwer war, sie am Morgen wach zu bekommen, sagte sie bereits um 9h dass sie nicht glaubt, noch rechtzeitig zum Bürgeramt zu kommen.

    Nach dem Frühstück ist sie dann auch wieder eingeschlafen und war bis 11.30h nicht zum Aufstehen zu bewegen.

    Motivierungsversuche "du hast dir das heute vorgenommen, du ärgerst dich nachher nur wieder es nicht geschafft zu haben, du musst hier auch deinen Teil tun" stießen nur auf Widerwillen und Ärger... "willst du mich verarschen?"

    Nun ist sie bockig in die 1 Zimmer Wohnung gefahren, in der kein Platz mehr frei ist, um ein Bett/ eine Matratze oder irgendwas aufzubauen und möchte dort das ganze Wochenende bleiben. Ihren Mietvertrag, um sich beim Bürgeramt anzumelden, hat sie nicht dabei.


    Ich habe das jetzt erzählt, um mir Rat zu holen, wie ich mit ihrem Verhalten umgehen kann. Sie hat schließlich mich um Hilfe gebeten aber statt Dankbarkeit zu zeigen, streitet sie nur mit mir.


    Liebe Grüße,

    Eine liebende Schwester

  • Sie wohnte in einem Mietshaus in einem kleinen Dorf, mit einem schlechten Umfeld, ohne Möglichkeiten, sich dort aus ihrer Situation zu lösen.

    Was heißt denn schlechtes Umfeld? Gibt es da irgendwie eine Suchtproblematik, psychische Erkrankung oder ähnliches?


    Beim Umzug war meine Schwester dann mega "angepisst" verärgert und bockig, wollte sich von keinem noch so kaputten Möbelstück trennen und auch jeder letzte Joghurteimer und jeder der 35 Plastikkörbe sollte mit...

    Ich kann hier natürlich nur mutmaßen, aber vielleicht versucht man mal die Perspektive zu wechseln? Nach 12 Jahren in einem Haus trennt man sich und steht mit den Kindern oder nur dem Sohn? allein da. Man wirft sein Leben komplett über den Haufen und beginnt einen Neuanfang. Ich kann mir schon vorstellen, dass so eine Situation nicht einfach ist. Hat sie denn überhaupt die Trennung schon verarbeiten können? Dann der Umzug in eine neue große Stadt. Von Dorf direkt in eine Großstadt...

    Der Umzug und die neue Abhängigkeit von Jemand anderen macht vielleicht auch etwas mit einem. Habt ihr mal darüber gesprochen wie es ihr geht mit all den Veränderungen? Hast du sie mal gefragt, wie es ihr generell geht und was sie nun plant für ihre Zukunft?


    Ich persönlich würde mir wahrscheinlich in so einer Situation auch erstmal ein paar Tage Ruhe wünschen, um alles verarbeiten zu können und möchte nicht in den ersten Tagen so gedrängt werden mit all dem Behördenkram und so... Also, nur mal so als andere Perspektive und Denkanstoß. Ich denke nicht, dass es Undankbarkeit ist, vielleicht ist sie selbst einfach überfordert und muss sich erstmal sortieren nach Trennung und Umzug.

  • Ja, es gab/gibt eine Suchtproblematik. Vorrangig Alkohol und Nikotin, früher auch THC.


    Im Dorf war es halt so, dass jeder jeden kennt und egal wen sie "neues" kennen lernte, über Ecken herum gab es halt immer die Kontakte zu Leuten, die ihr "was hätten besorgen" können. Und das wollte sie nicht mehr.


    Daher auch der Umzug nach Berlin. Hier ist es zwar auch nicht schwer etwas zu bekommen wenn man will, aber hier fällt es ihr leichter, auch Kontakte zu finden, die damit nichts zu tun haben.

  • Ah, okay. Naja, aber haste ja selber schon geschrieben. Gibt überall was und nun ist ja THC auch noch legalisiert. Wenn man konsumieren will, ist es egal, wo man wohnt.


    Und zu den anderen Fragen von mir?

    Hast du mal mit ihr gesprochen, wie es ihr geht? Was ist ihre Vorstellung der Zukunft? Was braucht sie vielleicht, damit es ihr besser geht?

  • Naja, sie will ja auch nicht mehr konsumieren. Das war das Problem an ihrem Umfeld im Dorf... dort war eben jeder irgendwie Tell des Problems. Ihre Worte:

    "Und wenn ich hier auch kein Netzwerk habe, dann kann ich es von vorne herein sein lassen und mir erst gar nicht eines aufbauen."

    Montag war sie bei den AA. Das Treffen ist gut gelaufen.

    Und zu deinen anderen Fragen: ich habe versucht, mit ihr zu reden. Beim Thema Zukunftsvorstellungen kam ausweichendes von "erstmal hier ankommen" über "naja, normal halt: Job, Freundeskreis aufbauen, Leben wieder auf die Reihe kriegen..." bis hin zu "weis es noch nicht genau."

    Wenn ich sie frage, wie es ihr geht, dann ist es entweder ein abwinkendes "ach, doch... gut." Oder ausweichend, oder genervt "ist doch egal".

    Aber ich habe auch den Eindruck, dass es ihr nach der ersten Woche hier schon langsam etwas besser geht.

    Zumindest hat sie sich ein Stückweit beruhigt und ist insgesamt auch etwas umgänglicher.

  • Hallo u/SisterLove,

    erst mal ein Kompliment an dich und an deine Hilfsbereitschaft!

    Das ist echt toll, in welchem Maß du deine Schwester unterstützt! Und das ist auch nicht selbstverständlich! Super, dass du das machst.

    Nun zu deinem Anliegen - ich hab jetzt so nach dem Lesen den Einrdruck, dass sich die Lage bereits leicht entspannt hat. Ich hoffe, das geht auch so weiter natürlich.

    Ich möchte auch kurz sagen, dass ich vieles, was SoccerLady bereits geschrieben hat wirklich gut finde - gerade sich mal in deine Schwester und ihre Situation versuchen hinein zu versetzen - das kann sehr helfen. Manche Menschen komminizieren viel und gerne über ihre Probleme und Emotionen - andere aber auch nicht. Dieses blockieren und maulen kann durchaus eine Art sein, wie deine Schwester versucht, damit umzugehen.

    Vielleicht ist es ihr unangenehm, nun so abhängig von dir zu sein und eine Pause zu brauchen, um den Umzug, die Trennung, usw. zu verdauen. Man kennt das ja selbst wohl von Liebeskummer - da kann man es schon mal auch ein paar Tage nicht aus dem Bett schaffen.

    Natürlich ist es mega wichtig, dass sie ihre Gelder schnellstmöglich beantragt und sich um diese Dinge kümmert. Dennoch habe ich auch so ein Gefühl, dass das bei ihr gerade eher mit Überforderung zu tun hat. Gib ihr etwas Zeit, "nerv" sie vor allem mit den Dingen, die wirklich nicht aufschiebbar sind. Und sprich aber auch offen mit ihr über deine Gefühle und wie es dir damit gerade geht - auch du hast ja nicht das Ziel sie zu "nerven" sondern du möchtest ihr helfen, ihre Zukunft gut zu gestalten.

    Ich hoffe, es geht weiter langsam besser :smiling_face:

    Kurze Info zu mir: Ich gehöre zu einem Team professioneller Sozialarbeiter*innen, die aufsuchend im Netz unterwegs sind. Dabei versuchen wir User*innen unterstützend und beratend zur Seite zu stehen, im Besonderen zum Thema Sucht und Konsum. Unser Angebot ist selbstverständlich kostenfrei und anonym.

    Meld dich gerne, wenn du dich weiter austauschen möchtest!

    Liebe Grüße

    Hannah vom DigiStreet-Team der Drogenhilfe Schwaben gGmbH

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