Neuer (fast)Partner ist Borderliner, wie reagiere ich richtig?

  • Hallo zusammen!

    Vor kurzem habe ich (24j) einen tollen Mann kennengelernt, ich weiß von Anfang an von seiner Krankheit und er war/ist auf auch in Therapie!

    Wir haben uns regelmäßig getroffen und geschrieben und für mich lief alles super, er hat mich gut behandelt, hätte alles für mich getan etc. Seit einigen Tagen merke ich, dass er sich distanziert und mir Dinge vorwirft, die er selbst jedoch ebenfalls macht. Das war gestern. Dadurch wurde ich leider etwas wütend und habe ihn kritisiert (in normalen Ton) bzw meiner Wut freien Lauf gelassen. Weil er mich daraufhin sowohl per sms als auch per Anruf ignoriert hat, dachte ich mir ob er nicht vielleicht dadurch oder derzeit in einer „böswilligen“ Phase seiner Krankheit feststeckt. Ich habe mich dann den ganzen Tag wirklich intensiv mit seiner Krankheit beschäftigt und auch herausgefunden, dass dieses Nähe-Distanz Problem nicht untypisch dafür ist, da die Angst vor dem Verlassenwerden oder dem Verlust der Liebe so groß ist. Am Abend habe ich ihm dann nochmal geschrieben, dass ich ihn nicht verlieren möchte und sich für mich nichts geändert hat! Und das ich mit „uns“ weitermachen möchte, insofern er das auch will. Ich mag/liebe ihn wirklich für das, was er ist und auch wenn er es erwartet oder sich vielleicht wünscht, ich will ihn und uns nicht aufgeben. Im Internet habe ich gelesen das man den Partner nicht kritisieren und nicht hinterherlaufen soll, in meiner Unwissenheit davor habe ich aber durch den Konflikt wohl beides gemacht, seitdem werde ich ignoriert. Das ist das schlimmste für mich. Hat jemand einen Rat wie ich am besten damit umgehe? Soll ich ihn einfach lassen? Ich habe große Angst es kaputt gemacht zu haben und das er sich gar nicht mehr meldet. Gleichzeitig möchte ich nicht das er denkt ich liebe ihn nicht mehr oder das es ihm schlecht geht :frowning_face: gibts ähnliche Erfahrungen? :frowning_face:

  • Servus Batzili,

    scheinbar ist diese Diagnose gesichert, wenn er deswegen in Therapie ist, richtig?

    Im Internet habe ich gelesen das man den Partner nicht kritisieren und nicht hinterherlaufen soll

    Ich fürchte, diese Recherche ging eher nach hinten los :grinning_squinting_face:

    Natürlich mag es einem Bordi nicht sonderlich gefallen wenn er kritisiert wird, aber das trifft so gut wie auf alle Menschen zu.

    Klar hat man mit dieser Persönlichkeitsstörung mehr Probleme damit, aber deswegen eben keine Kritik mehr üben, wäre sicher nicht der richtige Weg.

    Wie sollte ansonsten so eine Partnerschaft denn aussehen? Immer nur ja und Amen sagen?

    Was ist hinterher laufen genau?

    Du suchst Kontakt, möchtest Probleme aus dem Weg schaffen oder einfach nur ansprechen.

    Du liebst, also soll es doch auch erlaubt sein, dass du dich im ihn bemühst :1:

    Gleichzeitig möchte ich nicht das er denkt ich liebe ihn nicht mehr oder das es ihm schlecht geht

    Das wirst du nie völlig ausklammern können und wenn es ihm damit schlecht geht, muss er es sagen.

    Es gibt meiner Meinung keinen klar eindeutigen Rat, wie jeder Mensch unterschiedlich ist, ist es auch jeder Borderliner.

    Letztlich kann nur er dir diese Fragen beantworten, das mag mühselig sein, aber zielführend!

    Doch, einen Rat habe ich - verstell dich nicht und sei wie du bist!

    Entweder ihr findet einen ehrlichen Weg und werdet glücklich oder eben nicht.

    Wenn du aber immer nach bestimmten Listen für Bordis handeln willst, dann wird das nicht klappen und wenn er das wirklich erwarten sollte, dann würde ich eher Abstand nehmen.

  • Servus Franz ,

    ich möchte die Probleme gerne aus der Welt schaffen, habe ihm außerdem gesagt, das sich für mich nichts geändert hat, kam leider nichts darauf!

    Und du hast sehr recht, sollte er zurückkommen geht es so definitiv nicht weiter, aber dieses Gespräch ist ein anderes Thema.

    Mein jetziges „Problem“ ist, das ich ihn nicht verlieren möchte und es gerne weiter versuchen will mit ihm! Aber ich werde ihn erstmal in Ruhe lassen, jedoch nach Rücksprache mit einem Bekannten BL nächste Woche vielleicht nochmal eine Nachricht schreiben, dass ich ihn nicht aufgebe, hinter ihm stehe und ihn lieb habe. Danach kann ich wirklich nichts mehr tun, auch wenn es sehr traurig sein wird, sollte nichts kommen.

    Es macht mich auch einfach sehr traurig, diesen liebenswerten Menschen zu sehen, der solche Zweifel und emotionale Probleme hat und nichts wirklich tun zu können :loudly_crying_face:

  • Hallo Batzili,

    herzlich willkommen noch hier :winking_face:

    Grundsätzlich kann ich mich Franz nur anschließen. Dieser Tipp mit dem "nicht kritisieren" ist ...äh....mit Vorsicht zu genießen :winking_face:

    Vielleicht hilft es dir, wenn ich einen Perspektivwechsel anbiete.

    „böswilligen“ Phase

    Was kann ich mir darunter vorstellen? Wie stellst du dir denn eine solche böswillige Phase vor?

    Das Nähe-Distanz-Thema ist immer groß bei Bordis. Wenn der Partner da jedesmal mitschwingt oder leidet, endet das meiner Meinung nahe zu immer in Co-Abhängigkeit (muss nicht, nur meine Erfahrungswerte).

    Dein fast-Freund läuft derzeit wahrscheinlich nicht in ganz rationalen Phasen. Und das wird nicht das letzte Mal sein. Du hast normale, angemessene Bedürfnisse, euren Status zu klären und erlebst die Zurückweisung durch Nicht-Reaktion. Okay, ich überlege, wie ich das am besten jemand "Normales" erkläre, wie das bei Bordis so läuft. Wobei Borderline ja auch hochindividuell ist - es lohnt sich also sowieso da mal grundsätzlich mit deinem Freud drüber zu reden, wenn er in einer zugewandten Phase ist. Ihn zu fragen, was für ihn hilfreich ist.

    Ich versuche die stereotypen Beziehungssituationen bei Bordis nachvollziehbarer zu machen: Er ist gerade in einer Distanz-Phase. D.h. er nimmt dich und eure Bindung unter Umständen gänzlich verzerrt wahr. Diese Verzerrung wirst du durch nichts auflösen können. Umso wichtiger, dass du als "gesunder" Part in dieser Phase gesund bleibst. Du wirst vielleicht keine Reaktion auf deine Bedürfnisse nach Klärung und "Hilfreichsein" bekommen - aber es ist wichtig, dass du sie trotzdem benennst, sonst gehst du ja mit der Krankheit mit. Dennoch ist es auch wichtig, die Krankheit nicht zu ignorieren - geht ja auch schlecht.

    [...]Distanz Problem nicht untypisch dafür ist, da die Angst vor dem Verlassenwerden oder dem Verlust der Liebe so groß ist. Am Abend habe ich ihm dann nochmal geschrieben, dass ich ihn nicht verlieren möchte und sich für mich nichts geändert hat!

    Ja, die Angst vorm Verlassenwerden mag groß sein, aber bei dir ist diese Angst ja auch gespiegelt worden, du hast nun ebenfalls Angst ihn zu verlieren und schwingst sozusagen mit der Krankheit mit (meine Interpretation, check das für dich gegen!). Genau das kann noch mehr Dynamik hervorrufen. Wenn du in einer Bordi-Beziehung gesund überleben willst, geht es praktisch darum, gut für dich zu sorgen, normale Konflikte nicht zu vermeiden und trotzdem zu sagen: hier ist das Bindungsangebot, egal welche Konflikte da sind - ohne dass das gleichzeitig Druck ausübt oder zu Not bei beiden Seiten führt. Du leidest gerade ja mit. Er braucht gerade Distanz und oft löst das auch die Falle des "Liebesbeweises" aus. Hm.. wie erklär ich das nun? Diese Erlebenslücke zwischen dem was bei dir da ist und dem was bei ihm ankommt, wirst du in solchen Phasen nicht schließen können. Also, du kannst die Lücke stopfen, indem du ihm deine Liebe und Zuwendung "beweist" wie eben mit deinen Nachrichten. Ja. Und das mag auch oftmals funktionieren, für kurze Zeit. Fördert aber eben auch die Krankheitsdynamik und wird am Problem nichts ändern. Und eher dazu führen, dass du ständig in "Bringschuld" des Liebesbeweises kommst, was ihn dann immer auch unter Druck setzt und auch zu schlechtem Gewissen seinerseits führen kann. Aber das ist ja keine gesundes Liebesbeweisbedürfnis. Es ist ja etwas verzerrtes. Jedesmal darauf mit Dynamik und Verlustangst zu reagieren, sprich miteinzusteigen - wird nicht hilfreich sein. Für keinen von euch. Die Bindungsunsicherheit wird sich nicht dadurch bessern, dass du bindungsmäßig sein Defizit überkompensierst.

    Besser ist sowas dann zu sagen: das Nichtmelden löst das und das bei mir aus, und ich bin verunsichert weil mir der Kontakt zu dir wichtig ist und das für mich neu ist. Bei mir löst das"nichtmelden" das Bedürfnis xy aus und ich mag das benennen, weil ich dir auf Augenhöhe begegnen und gut für mich sorgen möchte (=gesundes Vorbild). Allerdings heißt das nicht, dass du auf meine Bedürfnisse reagieren musst - ich benenne sie, aber es ist kein Handlungsauftrag an dich, sofort darauf zu reagieren. Ich bin da, lasse dir aber Raum wenn du ihn brauchst. Ist okay, wenn du dich nicht meldest. Wenn ich etwas tun kann, was hilfreich für dich ist, sag mir Bescheid, was. Ich bin da, wenn du das möchtest. Wenn nicht, lasse ich dir Raum. Du bist mir wichtig. Ich möchte dir keinen zusätzlichen Druck machen und brauche noch etwas Übung darin mit meiner Verunsicherung umzugehen. Vielleicht hast du irgendwann ein paar Tipps für Phasen, wo du Abstand brauchst für mich? - Sowas.

    Durch sowas kannst du was für ihn tun, ohne mit seiner Krankheit mitzuschwingen. Kannst du es aushalten, ihm Raum zu lassen, ohne dass da jetzt eine Reaktion kommt? Und kannst du das immer wieder aushalten?

    Vielleicht könnt ihr zukünftig auch einfache Zeichen ausmachen, wo er sich nicht groß erklären braucht und bei ihm kein Druck auslöst in solchen Phasen. Nur ein pieppiep zum Beispiel.

    Nur ein paar Impulse. Vielleicht ist was für dich dabei.

  • Hallo grany,

    Danke für deine ausführlichen Erklärungen!

    Ja du hast recht: im Moment habe ich große Angst, ihn zu verlieren. Einfach weil mich diese Situation gerade noch überfordert und neu für mich bist, da wir leider(!) bisher noch nie darüber gesprochen haben. Auch deine Vorschläge, wie ich am besten mit ihm darüber reden kann oder dieses piepiepiep finde ich super, allerdings muss es ja erst mal wieder zu einem Gespräch kommen bzw. das er sich meldet. Muss mal wieder eine info aus dem Internet herziehen, aber es gibt wohl Fälle, wo dieses Abwerten und das Wegschieben des Angehörigen bzw des Partners im schlechtesten Fall für immer ist und das würde mich sehr traurig machen, weil wir es eben noch gar nicht auf relativ neutralem, gesunden Weg probiert haben, es war eben alles sehr typisch Bordi, intensiv und euphorisch und toll und ich als Laie habe mich davon mittragen lassen. Ich möchte ihm gerne zeigen, dass ich für ihn da bin, aber das es bestimmte Regeln geben sollte! Ich gebe ihm jetzt die Zeit und hoffe, dass er wieder etwas Nähe zu mir aufbauen kann/will und sich meldet :thinking_face:

  • Ich wäre an deiner Stelle extrem vorsichtig worauf du dich da einlässt. Es ist gut, dass du von Anfang an weißt woran du bist, das Glück hatte ich leider nicht. Beschäftige dich mit dem Thema ausgiebig und unterschätze die Krankheit nicht. Viel Glück.

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