Hallo zusammen,
meine Tochter (15 Jahre) ritzt sich (nach einem Jahr) wieder und sie gibt mir die Schuld dafür, dass es ihr schlecht geht. Die ganze Angelegenheit ist sehr komplex und leider sehr lang.
Aber mal von Anfang an (ich fürchte es wird leider etwas länger, wem es zu lang wird, der kann das in Klammern auslassen):
Mein Mann und ich sind seit 18 Jahren verheiratet, unsere Tochter war ein absolutes Wunschkind, doch leider begannen unsere Eheprobleme bereits in der Schwangerschaft. Es folgten gute und schlechte Zeiten...leider mehr schlechte.
(Er war viele Jahre arbeitslos, hat fast nur Computer gespielt und sich wenig gekümmert, zwischendurch hatte er eine Stelle aber wir kamen finanziell nie auf einen grünen Zweig. Wir haben immer versucht die Kinder nicht spüren zu lassen, dass es uns finanziell nicht gut ging. Zum Glück haben uns meine Schwiegereltern finanziell unterstützt und so konnten die Kinder allen Hobbys nachgehen, die sie sich gewünscht haben. Sie hatten beide ein Instrument spielen dürfen, in den Ferien sind wir an die See gefahren. Trotzdem haben sie immer den Streit mitbekommen und die belehrende Art und Weise meines Mannes. Er hat schon immer alles was ich gemacht habe vor den Kindern schlecht gemacht. Es war zum Teil so, dass ich es selbst nicht mehr gemerkt habe oder nichts gesagt habe, weil ich Streit vermeiden wollten. Wenn die Stimmung mal nicht ganz so schlecht war, dann habe ich vieles nicht kommentiert. Jetzt weiß ich, dass es falsch war…)
Jedenfalls hat es letztes Jahr damit angefangen, dass meine Tochter auf eine Klassenfahrt gefahren ist und wir die Kosten von der Stadt erstattet bekommen haben wollten (es war das letzte Mal, dass wir etwas über Hartz IV beantragen konnten), was sie leider mitbekommen hat.
(Drei Monate später habe ich, nach einem späten Studium, zu arbeiten begonnen. Bis dahin haben unsere Kinder nicht mitbekomme, dass die Klassenfahrten von der Stadt bezahlt wurden und die Schule unterschreiben musste. Nun hat es meine Tochter, durch meinen Fehler, mitbekomme.)
Sie hat sehr geweint, es war ihr peinlich und sie war auch sehr wütend, dass wir ihr das angetan haben. Da hat sie das erste Mal erzählt, dass sie schon lange mitbekomme hat, dass bei uns etwas schief läuft und dass ihr Papa nicht arbeitet. Im ersten Moment hat sie uns in der Wut auch vorgeworfen, dass wir kein Haus hätten, so wie alle anderen Eltern von Kindern aus ihrer Klasse. In ruhigen Gesprächen hat sie mir später erzählt, dass es ihr gar nicht um ein Haus ginge sondern dass sie Minderwertigkeitskomplexe hätte, weil ihr Vater sie nie für gute Noten loben würde, wenn sie ein schönes Bild gemalt hat, dann gab es auch nie Lob, sondern nur ein: Ja, das ist zwar ganz schön, aber warum ist es nicht eine Eins geworden oder eine Eins mit voller Punktzahl und Belehrungen wie es besser sein könnte. Dann kam erschwerend hinzu, dass mein Mann wütend wurde und zu ihr hingegangen ist und sie gefragt hat ob sie ihn jetzt für einen Versager halten würde, nur weil wir kein Haus hätten und da sagte sie natürlich ja (war doch klar). Ab da war er beleidigt und hat nicht mit ihr geredet, sie sollte sich bei ihm entschuldigen, was sie aber nicht wollte. Ich stand zwischen zwei Stühlen und versuchte zu vermitteln, jedoch blieben beide stur. In der Zeit hatte sie Streit mit ihrer Freundin und zusätzlich ist ihr Kanninchen erkrankt und musste eingeschläfert werden. An dem Abend ist sie das erste Mal weggelaufen, das war vor einem Jahr.
Sie ist zu ihrem Trainer (und guter Freund 23 J.) gelaufen. Nun ja, nach 6 Wochen hatte ich meinen Mann soweit, dass er auch ohne Entschuldigung mit ihr gesprochen hat, aber da war es zu spät. Was ich nicht wusste, in dieser Zeit gab es arge Problem mit einem Mitschüler in der Klasse und das alles führte dazu, dass sie völlig abstürzte. Eines Nachts stand ihr Trainer vor der Tür weil er sich Sorgen machte, dass sie sich etwas antun könnte, sie habe darüber gesprochen. Noch in dieser Nacht habe ich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie angerufen, bei ihr im Zimmer geschlafen und am nächsten Tag waren wir notfallmässich in der KJP. Die Dame dort sagte, dass unsere Tochter eine schwere Depression hätte, aber nicht suizidal wäre. Es folgten Gesprächstermine, begonnene Psychiotherapie, dann beendet, weil nicht half. Ich habe immer ihre Nähe gesucht, ihr Gespräche angeboten, versucht jeglichen Streit zu Hause zu unterbinden und habe fast meinen Mann verlassen. Es ging eine Zeitlang gut, bis vor zwei Wochen gesagt habe, dass wir zusammen in den Urlaub fliegen wollen. Sie wollte nicht, weil sie keinen Bock auf uns hat, wir wären ihr viel zu anstrengend. Nun ist sie 15 J. alt und ich finde, dass sie mitkommen muss. Habe ihr angeboten, dass sie nächstes Jahr nicht mehr mit muss. Und das oder unbedachte Sprüche von mir (über ihren Trainer) waren der Auslöser dafür, dass sie sich wieder ritzt.
Vielen Dank an alle, die es bis hierher durchgehalten haben...jetzt kommen aber noch meine Fragen.
Wie kann ich ihr helfen ohne sie machen zu lassen was sie will. Bin ich verpflichtet alles zu tun, nur damit sie sich nicht ritzt, auch wenn ich es für falsch halte? Muss ich ihr alles durchgehen lassen? Weiß gar nicht mehr wie ich mit ihr umgehen soll. Sie ist 15 J. alt und möchte wie erwachsen behandelt werden. Jetzt hasst sie mich, habe einen Zettel auf ihrem Schreibtisch gesehen auf dem sie ihre Wut ausgelassen hat...Fuck you „mom“ du hast mein Leben zerstört, du bist Schuld, dass ich mich wieder wie Scheiße fühle …usw.
Dabei will ich doch nur das Beste für sie und ihre Schwester (auch ein Teil des Problems). Auch der Umgang mit ihrer Ritzerei...ich weiss einfach nicht weiter. Ich möchte ihr helfen, ich möchte, dass sie weiss wie sehr ich sie liebe, aber ich möchte ihr auch nicht alles erlauben...sie ist 15. Sie darf schon sehr viel in meinen Augen...vielleicht auch ein Teil des Problems. Und wenn sie jetzt etwas nicht darf, dann bestraft sie sich und mich.
Sorry wenn es etwas verwirrend geschrieben ist, aber ich bin langsam einfach nur noch mit den Nerven am Ende.