Ich komm nicht damit klar...

  • Hm... Schwieriges Thema für mich... Ich versuch mal einigermaßen nachvollziehbar zu formulieren, was mir im Kopf rumschwirrt...
    Also ich selbst bin nicht direkt betroffen, abgesehen von ein paar kleinen "Ausrutschern", aber in meiner Familie ist SVV schon lange ein Thema. Meine Schwester hat sich früher die Arme zerschnitten - sie ist manisch-depressiv und hat auch schon einen S.-versuch hinter sich, das ist allerdings schon sehr lange her...
    Aber das eigentlich Entscheidende in dieser Sache ist mein Freund. Ich wusste ja von Anfang an von seinen Problemen. Er ist suizidgefährdet, Depressiv und schneidet sich die Arme auf... Das alles hat mich nicht davon abgehalten, mich auf eine Beziehung einzulassen entgegen seinen Befürchtungen. Na ja, wie auch immer... Er hatte für ziemlich lange Zeit aufgehört sich zu schneiden (etwa ein halbes Jahr), was ich sehr bewundert hab. Aber vor einiger Zeit hat er ganz plötzlich wieder angefangen, was ich nur durch Zufall erfahren hab (Foren sind schon praktisch... *sfz*). Das hat mich völlig fertig gemacht in dem Moment, weil ich mir nicht erklären konnte, warum er auf einmal wieder angefangen hat. Und nicht mal er selbst konnte es erklären, was mich noch mehr erschreckt hat!
    Ich hab einfach totale Probleme damit, zu verstehen, was das Schneiden bewirken soll bzw. wie das helfen kann. Es soll irgendwie entlasten, den Druck vermindern... Ich weiß nicht... Ich kann mich da nicht so wirklich hineindenken. Viele, mit denen ich mich darüber unterhalten hab, meinten, dass sie es oft bereuen, geschnitten zu haben, weil sie die Narben vermehren und man diese eben nicht wieder entfernen kann. Das bleibt für immer... Wenn ich weiß, dass ich es wahrscheinlich hinterher bereue, warum tu ich's dann?
    Ich hab meinem Freund mehrfach gesagt, dass er sich nicht scheuen soll, mir zu sagen, dass er wieder einen Rückfall hatte. Er hat ein schlechtes Gewissen und fühlt sich richtig mies, weil er weiß, dass ich mir Sorgen mache und große Probleme damit hab, dass er sich selbst verletzt und deswegen erfahre ich's meistens eher über andere... (mal so nebenbei, fürs bessere Verständnis: Es ist 'ne Fernbeziehung! Wir haben momentan nur die Möglichkeit übers I-net zu kommunizieren...) Er hat schon Recht, mir geht's wirklich beschissen, wenn ich herausbekomme, dass sein Arm um einige Schnitte reicher ist, aber ich mache ihm weder Vorwürfe noch möchte ich, dass er sich deswegen schlecht fühlt mir gegenüber. Aber es ist einfach so, dass ich nicht weiß, wie ich wirklich damit umgehen soll. Wenn wir uns sehen, sehe und spüre ich ja die Narben auf seinem Arm und manchmal denk ich, mein Gesicht muss Bände sprechen. :frowning_face: Ich weiß echt nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich komm definitiv nicht damit klar! Er verletzt mich, indem er sich verletzt! Und der Schmerz ist bei mir dann größer als bei ihm... :frowning_face:

  • Hallo Incertitude,

    ich werde nun versuchen, ein wenig Licht in dein Dunkel zu bringen.
    Warum verletzt sich jemand selbst? Es ist eine gute Frage, auf die es keine pauschale Antwort gibt, denn jeder macht es aus einem anderen Grund. Manche weil sie so mit den körperlichen Schmerzen, die seelischen überdecken können, manche weil sie sich nur so spüren können, manche, weil sie sich selbst bestrafen wollen.... Aber immer hat das SVV schwere psychische Probleme als Ursache.
    Weißt du, in dem Moment, in dem es einem schlecht geht, denkt man nicht an die Wunden und Narben hinterher, denkt man nicht daran, dass man es bereut. In dieser Hinsicht ist es eine Sucht, wie bei Drogen oder Alkohol. Der Kopf schaltet in dem Moment einfach ab. Man ist abhängig von diesem Gefühl der Befreiung, wenn der Druck nachlässt.

    Ich kann verstehen, dass das sehr belastend ist für dich! Und doch bewunder ich, wie du trotz allem zu deinem Freund stehst. Aber mute dir selbst nicht zuviel zu, achte dich und deine Grenzen. Eine Fernbeziehung ist da natürlich schwierig, aber versucht trotzdem beide so viel wie möglich miteinander zu reden über das wie es euch geht, was ihr fühlt etc.

    Doch bei allem solltest du deinen Freund mal auf das Thema Therapie lenken! Wenn er selbst wirklich nicht die Ursache kennt, warum er sich selbst verletzt, umso mehr.

    Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen!
    Liebe Grüße
    rose

  • Hallo Incertitude!

    Ich glaube zwar nicht, dass ich dir irgendwie weiterhelfen kann, aber ich will trotzdem mal eine ersten Gedanken zu deinem Text hier aufschreiben.
    Ich hab' mich auch geschnitten - Und hab's auch noch nie geschafft das jemandem - besonders meinem Freund - wirklich zu erklären. Aber wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass man es nicht richtig nachvollziehen kann, wenn man es nicht selbst kennt...

    Warum man es tut, obwohl man es im Nachhinein bereut?
    Naja, bei mir war es so, dass ich einfach nicht daran gedacht habe, wie es mir danach geht. Mir ging's in dem Moment nicht gut, und ich wollte, dass dieser Zustand aufhört. Ich hab' das Schneiden als Lösung dafür entdeckt. Wie du schon geschrieben hast, es baut Druck ab und wirkt entspannend, dem kann ich nur zustimmen. Und gerade seelischen Schmerz wandelt es in körperlichen um, der dann besser zu ertragen ist. In Situationen, in denen ich wütend auf ich war, habe ich mich geschnitten, ein anderes Ventil diese Wut abzubauen, gab es nicht!
    Ich wusste natürlich auch immer, dass es nicht gut ist, was ich tue, und dass die Narben sichtbar bleiben werden - Aber das ist in dem Moment einfach egal, daran denkt man nicht, und falls doch, ist es trotzdem egal, sozusagen. Der Druck, die Anspannung sind einfach größer und selbst wenn der Verstand sagt, dass man es nicht tun soll, es gibt ein Gefühl/Verlangen, das stärker ist und einen letztlich dazu verleitet.
    Und mit der Zeit wird oder kann es auch zu einer 'Sucht werden - Man kann dann einfach nicht mehr anders. Dieses Selbstverletzende Verhalten manifestiert sich einfach als "Lösung" für bestimmte Probleme und Situationen. Es erleichtert und das ist ein positiver Effekt, auf den man, wenn es nötig ist, eben gerne zurückgreift, denn es wirkt ja und erfüllt "seinen Zweck".

    Auch wenn ich jetzt wieder von mir ausgehe - Ich hab' mich auch nicht getraut meinem Freund, oder überhaupt wem, zu sagen, wenn ich mich geschnitten habe. Denn gerade weil ich weiß, dass es nicht gut ist und ich es bereuht habe, hab' ich mich dafür vor Anderen noch mehr geschämt, als vor mir selbst. Bei Freunden war das dann nochmal etwas Anderes, als bei meinem Freund!

    Was du tun sollst?
    Darauf kann ich auch nur antworten, was ich mir damals gewünscht habe und auch erfahren: in erster Linie Geduld, und "Verständnis". Geduld, dass mich mein Partner nicht böse ist auf mich, weil ich es getan habe, und mich vorallem nicht drängt es zu erklären! Wie gesagt, ich hab's auch nie geschafft es wirklich zu erklären, aber er war da trozdem sehr geduldig mit mir- Auch wenn und obwohl er's nicht versteht. Und mit Verständnis meine ich auch, dass mir mein Freund keine Vorwürfe machte deswegen. Natürlich fand es nicht gut, aber er hat mich nie geschimpft deswegen oder so, und das war sehr wichtig für mich. Vom Kopf her war mir ja klar, dass es Mist ist, was ich tue, aber "einfach so damit aufhören" ging eben auch nicht.

    Einen wirklich Tipp habe ich also nicht für dich. Aber versuch' mit deinem Freund darüber zu reden so gut es geht. Ich kann mir vorstellen, dass es ihn auch nerven könnte, wenn du ständig danach fragst. Aber zumindest solltet ihr versuchen einen Weg zu finden, dass er die 'Angst verliert mit dir nicht darüber reden zu können. Aber ich weiß auch aus eigener Erfahrung, wie unangenehm dieses Thema ist...


    Soweit erstmal...


    Liebe Grüße
    Fibra.

  • Erst einmal: Danke, rose!
    All das ist allerdings nun nicht wirklich neu für mich. Um meinen Freund besser verstehen zu können, hab ich mich vor langer Zeit in einem Forum angemeldet, das sich mit dem Thema SVV und Suizid auseinandersetzt und dort hab ich die genannten Sachen schon erfahren. Nur leider ist es mir als Aussenstehende einfach völlig unverständlich. :frowning_face: Ich weiß nicht, wie man seelische Schmerzen durch körperliche Schmerzen verdecken kann. Ich kann nicht nachvollziehen, wie es sein kann, dass man sich nur noch spürt, wenn man sich selbst verletzt. Ich begreife nicht, warum man sich selbst bestraft, indem man seinen Körper "entstellt" (entschuldigt bitte... ich möchte niemanden beleidigen oder so... :frowning_face: ). Ich glaube, wer nicht selbst betroffen ist, wird das auch nie wirklich nachvollziehen können, so sehr er/sie sich bemüht. :21: Ich beschäftige mich seit über einem Jahr intensiv mit dem Thema SVV und Suizid und bin kein Stück vorwärts gekommen...

    Zitat

    Aber mute dir selbst nicht zuviel zu, achte dich und deine Grenzen.


    Wer mich kennt, weiß, dass mir so ziemlich alles wichtiger ist als ich selbst... Und Grenzen gibt es bei mir nicht wirklich. Seit dem gescheiterten S.-versuch meines Freundes (bevor wir zusammenkamen), sind Grenzen nicht mehr vorhanden...

    Zitat

    Doch bei allem solltest du deinen Freund mal auf das Thema Therapie lenken!


    Er ist in Behandlung, noch nicht lange, aber er hat den Schritt gewagt... Für uns... Aber ich hoffe, in erster Linie für sich selbst! Bisher gibt's logischerweise noch nicht so viele Anzeichen von Besserung, das braucht eben Zeit. Ich hoffe nur, er nimmt das wirklich ernst...

  • Danke, Fibra...

    Zitat

    Aber wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass man es nicht richtig nachvollziehen kann, wenn man es nicht selbst kennt...


    Es ist definitiv so, denk ich... Und nicht nur was DIESES Thema angeht!

    Ich muss mich wohl irgendwie damit abfinden. Etwas dagegen tun kann ich ja so oder so nicht, mal davon abgesehen, dass ich es nicht darf!
    Mit ihm darüber zu reden ist recht schwierig, hab ich das Gefühl. Ich glaub, das tut ihm mehr weh als das es irgendetwas bewirkt...

    Na ja... *sfz*

  • Zitat

    Etwas dagegen tun kann ich ja so oder so nicht,


    Nein, dagegen tun kannst du nichts. Aber du kannst deinem Freund immer wieder zeigen, dass du ihn liebst und dass du, wenn er über Probleme reden möchte, für ihn da bist! Das ist viel besser, als etwas DAGEGEN zu tun, denn es ist etwas FÜR euch und eure Beziehung!

    Ich finde es gut, dass er ne Therapie macht! Versuch weitehrin Geduld zu haben!

    Liebe Grüße
    rose

  • Zitat

    ...mal davon abgesehen, dass ich es nicht darf!


    :confused_face: Was meinst du mit "ich DARF es nicht"?

    Hm ja, ich kann nur bestätigen, dass es sehr schwer ist darüber zu reden! Und ja, es tut auch weh. Aber es ist nicht so, dass es nichts bewirkt - Bei mir war das jedenfalls so! (Also es hat etwas bewirkt!)


    Liebe Grüße
    Fibra.

  • Das tu ich ungefähr jeden Tag.......... Nur nimmt er meine Hilfe kaum bis gar nicht an.

    Es ist nur so schwer... Ich mach mir ständig Sorgen. Er wiederum will nicht, dass ich mir Sorgen mache... Mir geht's schlecht, wenn ich weiß, dass es ihm schlecht geht... Dann geht's mir auch noch schlecht, wenn andere Dinge dazu kommen... Dann geht's ihm wiederum schlecht... Und er macht sich Sorgen um mich!
    *ätz*
    Eigentlich helf ich ihm kein Stück, hab ich das Gefühl... :frowning_face:


    @Fibra: Ich meinte damit, dass ich mich nicht einmischen darf... Es ist letztendlich sein Leben und ich bin max. ein kleiner Teil davon. Er muss es selbst auf die Reihe kriegen, ich kann ihm nur helfen, wenn er das will.

  • Naja, aber wenn ihr beide möglichst rücksichtsvoll dem Anderen gegenüber sein wollt und lieber Stillschweigen bewahrt über Dinge, mit denen es euch nicht gut geht - Das geht auf Dauer nicht gut.
    Ich kann das natürlich verstehen, aber es ist trotzdem nicht gut für eine Beziehung, wenn ihr das dauerhaft so handhabt!

    Vielleicht ist es ihm zu viel jeden Tag darüber zu reden?
    Und er blockt deswegen?

  • Missverständnis...
    Er weiß genau, dass er jederzeit mit mir reden kann, wenn er will... Aber ich weiß eigentlich, dass er's letztendlich doch nicht tut. Also sprech ich ihn eher selten darauf an, weil ich denke, dass er nicht reden mag. Aber um meine Sorgen dann etwas zu lindern bzw. die Gewissheit zu haben, dass sie berechtigt waren wg. was auch immer, sprech ich ihn halt eben doch darauf an.
    Stillschweigen schadet nur, das weiß ich...

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