Mein Mann, die Sucht und ich - wie geht's weiter?

  • Hallo zusammen,

    ich lese jetzt hier sein ein paar Tagen mit und habe mich entschieden, hier auch Teil zu nehmen. Wo soll ich bloss anfangen...? Vielleicht einfach am Anfang.

    Mein Mann hatte - so wie ich finde - eine schwierige Kindheit und Jugend. Seine Eltern hatten Eheprobleme, seine Mutter ist fremdgegangen, der Vater war oft laut, wenn er dann am Wochenende zu Hause war. Alles musste "heile Welt" sein, wenn er da war, und die Kinder mussten brav und ordentlich sein. Wenn er dann in der Woche wieder weg zur Arbeit war, gab es für die Kinder keine wirklichen Grenzen. Die Mutter hat einfach keine gesetzt. Sie war immer der Meinung, Liebe ist das wichtigste, die Liebe reicht für die Erziehung der Kinder. In der Zeit des Fremdgehens seiner Mutter hat er sich auch einmal geritzt, sich sogar die Pistole seines Vaters in den Mund gesteckt und abgedrückt. Gott sei Dank war sie nicht geladen. Er hat sich an älteren Mitschülern orientiert, ist ein paar Mal abgehauen von zu Hause, hat angefangen zu trinken, zu kiffen, hat die falschen Freunde gehabt. Ich glaube heute, diese Freunde haben ihm die Geborgenheit und Strukturen gegeben, die er zu Hause vermisst bzw. nicht bekommen hat.

    Vor etwa 8 Jahren haben mein Mann und ich uns dann kennen gelernt. Ich stand damals mit beiden Beinen fest im Leben, hatte meine Ausbildung gemacht, einen guten Job, und war eigentlich nicht auf der Suche nach einem Partner.
    Er hatte damals gerade seine erste Festanstellung nach dem Studium bekommen. Als wir uns kennen lernten, habe ich - schon vom äußeren her - sofort gedacht: wir passen überhaupt nicht zusammen.
    Er hatte bis zu dieser Zeit alle möglichen Drogen ausprobiert, gekifft, getrunken, LSD, XTC, Speed und Koks.
    Bis auf den Alkohol, in dem auch ich zu dem Zeitpunkt noch kein Problem sah, hat er mit allem aufgehört, als wir zusammen kamen.
    Seine Exfreundin machte uns die ersten Jahre große Probleme, hat unsere Beziehung fast zerstört. Sie wollte ihn nicht loslassen. Sie war vor unserer Zeit dreimal schwanger von ihm und hat dreimal abgetrieben. Das hat sie immer benutzt, um ihm ein schlechtes Gewissen zu geben und ihn in diese "du musst mir helfen, ich bin klein und zerbrechlich"-Situation gedrängt. Ihn hat das sehr belastet - auch der Gedanke, dass sie vielleicht keine Kinder mehr haben kann wg. der Abtreibungen die gewesen sind.

    Wir haben uns trotz allem zusammengerauft, beide an der Beziehung gearbeitet und sind mittlerweile seit 8 Jahren zusammen und seit 2 Jahren verheiratet.
    Die ersten Jahre haben wir eine Fernbeziehung geführt, da unsere beiden Arbeitsstellen weit auseinander lagen. So haben wir uns nur an den Wochenenden gesehen. Vor drei Jahren sind wir dann zusammen gezogen, und ich habe recht schnell gemerkt, dass sein Alkoholkonsum nicht normal ist. (Vorher habe ich das nicht wirklich bemerkt, da wir uns ja nur am Wochenende gesehen haben und ich nicht wusste, ob und wie viel er in der Woche trinkt).
    Ich habe ihn wiederholt darauf angesprochen und er hat immer versprochen, selbst mal darauf zu achten und etwas zu ändern, was natürlich nicht passiert ist. Das alles zog sich dann noch weitere Monate hin, ich habe ihn mehrmals mit einem Flachmann erwischt, als er heimlich getrunken hat, es gab Lügen, verleugnen, Verzweiflung, einen Arztbesuch, wieder Lügen, Heimlichkeiten... usw...
    Vor einigen Wochen gab es einen Zwischenfall (auf den ich aber hier nicht weiter eingehen möchte) der ihm dann offenbar zu denken gegeben hat und ihm gezeigt hat, dass sein Alkoholkonsum wohl wirklich zu große Ausmaße angenommen hat.
    Ich habe immer wieder mit ihm geredet, ihm versucht aufzuzeigen, dass er da ein Problem hat, und letztlich hat er angefangen, sich darauf einzulassen, sich mit dem Thema tatsächlich zu beschäftigen und auch eine Therapie in Betracht zu ziehen.

    Das letzte Gespräch dazu war vor drei Wochen. Nach drei Monaten ohne Alkohol habe ich bei ihm Poppers gefunden und hab gemerkt, dass jetzt für mich der Punkt erreicht ist, wo ich nicht mehr kann. Suchtverlagerung.
    Ich habe ihn dann darauf angesprochen und wir hatten ein ehrliches Gespräch. Er hat erzählt, dass er festgestellt hat, dass er oftmals einfach Bock auf den Kick hat, den er früher mit Speed und Koks bekommen hat. Dass er im Alk einen Ersatz gesucht hat, der Alk aber natürlich nicht diesen erwünschten Kick gebracht hat. Er war beim Arzt und bei der Caritas. Leider nicht am Wohnort, deshalb haben die ihn wieder weggeschickt. Und einen neuen Termin am Wohnort hatte er zur Zeit unseres Gespräches noch nicht gemacht. Er sagte, er habe so wahnsinnige Angst davor, mit anderen darüber zu reden, sich zu öffnen und das alles zu erzählen. Selbst bei mir habe er Angst davor, die Hosen runter zu lassen, weil er denkt, ich würde ihm das morgen wieder „hintenrum“ auf’s Brot schmieren. Das hat mich total erschrocken, dass er so denkt. Er hat Angst, dass die Leute schlecht über ihn denken und ihn verurteilen oder in die Klapse einweisen. (Wird ja beides nicht passieren, aber ich kann seine Ängste wohl verstehen.)
    Es macht mir wahnsinnige Angst zu hören, dass er nach acht Jahren ohne diese Chemie noch so ein riesiges Verlangen nach dem Kick hat – der böse Geist aus der Vergangenheit, den man eigentlich besiegt zu haben glaubte… wie schrecklich!

    Seit unserem letzten Gespräch darüber sind nun drei Wochen vergangen. Ich habe mich bewusst zurückgehalten und ihn nicht mehr darauf angesprochen, weil ich weiss, dass er dann sofort wieder genervt ist, weil ich das Thema schon wieder auf den Tisch bringe. Allerdings merke ich, wie das an mir nagt. Diese Ungewissheit, ob er denn jetzt mal bei der Caritas war, und was die gesagt haben bzw. wozu er sich jetzt entschieden hat. Therapie oder doch nicht? Ich bin ja froh, dass er wenigstens endlich so ehrlich zu sich selbst ist, und sich Gedanken darüber macht. Dass er selbst feststellen konnte, dass das eigentliche Suchtproblem das nach der Chemie ist (natürlich UND der Alk, aber Auslöser der Sucht eben die Chemie). Ich finde es toll, dass er alleine so weit gekommen ist. Aber ich merke auch, dass mich das auch sehr belastet – dieses „ich darf das Thema nicht ansprechen“, diese Ungewissheit, diese Angst, wie alles weiter geht.

    Ich bin bereit, diesen Weg mit ihm zu gehen, ihn zu unterstützen bzw. da zu sein, wenn gewünscht/gebraucht.
    Aber ich würde mir so sehr mal ein kleines Zeichen wünschen. Dass er einfach mal sagt „ich war heute bei der Drobs und habe mich entschieden, da jetzt eine amb. Therapie zu machen“. Das würde mir ja schon reichen. Ich würde ja gar keine Grundsatzdiskussion draus machen, einfach nur mal ein Zeichen, das würde mir helfen, wieder besser mit der Situation umgehen zu können. Andererseits will ich ihn aber auch nicht danach fragen, weil ich weiss, dass ihn das unter Druck setzt und kontra-produktiv ist. Vielleicht wünscht er sich auch einfach nur ein bisschen „Normalität“ und „Alltag“. Ich weiss es einfach nicht. Was ist richtig und was ist falsch? Ich finde immer, reden hilft doch wahnsinnig, alles rauslassen und sich mal fallen lassen tut doch total gut.

    Ich versuche, auf mich zu achten, mir Gutes zu tun, und das Lesen hier hilft mir schonmal sehr.

    Ich würde mich freuen, wenn ich von Euch ein bisschen Feedback bekommen würde, wie ihr (als Partner eines Süchtigen bzw. auch als Süchtiger selbst) mit dieser umgeht/umgegangen seid. Habt Ihr Euch mit Euren Partnern ausgetauscht? Oder brauchtet Ihr Zeit für Euch alleine um das zu verarbeiten bzw. Euch einzugestehen, dass Ihr ein Problem habt?

    Puh, ist jetzt doch ganz schön lang geworden mein Text…
    Ich freue mich auf Eure Nachrichten!

  • Servus Liefje,

    super Beitrag, wenn man von dem traurigen Inhalt absieht, ich meine damit, du hast es toll beschrieben und glaube dass so auch einige was dazu sagen werden :smiling_face:

    Für mich sehe ich da jetzt 2 Sachen, zum einen Dich und dann natürlich die 'Sucht deines Mannes.
    Da du als Angehörige schreibst, so bist auch du diejenige die für mich der wichtigere Teil ist :winking_face:

    Weißt du, Leute wie dein Mann die eben solche Menschen neben sich haben, die können echt froh sein.
    Viele hätten in deiner Situation vielleicht schon aufgegeben und ganz ehrlich, das könnte man denen dann auch nicht verdenken.
    Dein Mann kann sich aber gar nicht vorstellen was es für dich wirklich bedeutet, daher gibt es nur eines, du solltest es ihm unverblümt sagen ...

    Da komm nun der Punkt ins Spiel was dich eben betrifft!
    Es gibt nämlich eine schlimme und wirklich ernstzunehmende Begleiterscheinung/-erkrankung - eine 'Co-Abhängigkeit.
    Das möchte ich dir (noch) nicht unterstellen, doch mindestens darauf aufmerksam machen :winking_face:

    • Du gehts dem Nachfragen aus dem Weg, weil dein Mann gekränkt sein könnte - doch was ist mit dir?
    • Du suchst Entschuldigungen für seine 'Sucht, beschützt ihn auf deine Weise (wobei natürlich seine Kindheit sicher Auswirkungen hat, ich will da nichts wegreden!!)!
    • Du möchtest Kontrolle, ist er wirklich hingegangen (was auch absolut menschlich und verständlich ist), du hältst es nicht mehr aus.

    Bitte versteh das nicht als Vorwurf, vielmehr will ich drauf hinweisen, du musst wirklich erst auf dich achten und nur dann kannst du Beistehen.
    Falsche Rücksicht halte ich nicht für gut, also rede mit ihm und kläre ihn erneut auf was das alles bei dir bewirkt.
    Zudem würde ich wirklich auch einen Zeitrahmen verlangen, Süchtige sind gute Schauspieler und haben immer Ausreden :face_with_tongue:

    Vielleicht könnt ihr ja auch zusammen zur Beratung gehen, solange er derjenige ist und bleibt, der die Termine abklärt (es gibt aber auch offene Sprechstunden).

    Was wird wohl nun kommen müssen?
    Nach deiner Beschreibung liegt einiges im Argen und daher gehe ich fest davon aus dass man eine Langzeittherapie empfehlen wird.
    Es sind massive Suchterfahrungen und Stoffmissbrauch vorhanden, er ist nicht grade erst da reingerutscht oder so.
    Du fragst auch - wie kann dieser Kick nach Jahren noch so ein Verlangen ausüben - ich sage dir, das wird nie mehr aufhören!
    Aber man lernt damit zu leben, damit umzugehen und vor allem es erst gar nicht so weit kommen zu lassen :smiling_face:

    Nimm auch du dir mal ne Auszeit, überdenke alles und ich hoffe du kannst hier bei uns auch etwas Hoffnung und Kraft tanken.

    Vorerst mal alles Gute, ich denk aber wir treffen wieder aufeinander :winking_face:

    LG Franz

  • Lieber Franz,

    vielen Dank für Deine Nachricht. Ich versuche mich zu informieren, so gut es nur geht. Lese im Internet, gehe zur Drogenberatung, möchte einfach auch gerne mit anderen Betroffenen (Süchtigen oder Ex-Abhängigen) sprechen, weil ich zu verstehen versuche, wie das ist - süchtig sein. Welche Ängste mein Mann auch vielleicht hat und was vielleicht gerade in ihm vorgeht.

    Mit dem Thema Co-Abhängigkeit habe ich mich auch auseinander gesetzt. Ich weiss, ich bin von Haus aus ein sehr fürsorglicher Mensch, möchte immer, dass es allen gut geht, und ertrage es nur schwer, wenn ich mit jemandem Streit habe. (Erst neulich sagte meine Mutter noch zu mir: geh lieber den untersten Weg, Hauptsache kein Streit... da haben in mir schon alle Alarmglocken geschellt und ich hab mal wieder realisiert, wie sehr Erziehung doch auf einen Menschen Einfluss haben kann.)

    Ich würde gerne etwas zu den von Dir genannten Punkten sagen.
    Ja, ich weiss, dass es ein schmaler Grad ist zwischen "keinen Druck ausüben wollen" und "sich selbst und seine Bedürfnisse nicht aus dem Auge verlieren".
    Nun ist es so, dass ich die ersten drei Monate, in denen mein Mann keinen Alk mehr getrunken hat, gedacht habe 'lass ihn mal machen' und ihn nicht darauf angesprochen oder nachgefragt, ob er denn schon beim Arzt war oder bei der Drogenberatung, etc. Und genau das - so sagte er im letzten Gespräch - hat ihm sehr gut getan, weil er Zeit hatte, sich in Ruhe damit auseinander zu setzen und in Ruhe nachzudenken und sich einzugestehen, dass er ein Problem hat. Ich habe in den drei Jahren, in denen wir jetzt immer wieder solche Gespräche führen, oft falsch reagiert. Eigentlich meistens. Ich habe ihm Vorwürfe gemacht, habe ihm gedroht ihn zu verlassen, bin nicht ruhig und sachlich geblieben, so dass er sich wirklich mal öffnen konnte. Das habe ich beim letzten Gespräch geändert, und er hat sich geöffnet und hat geredet. Deshalb möchte ich gerne versuchen, ihm noch etwas Zeit zu geben, um sich über seine Situation klar zu werden, zu sehen welche Probleme da sind, und diesen ersten Schritt zu gehen. Ich habe ihm in diesem Gespräch angeboten, ihn zu begleiten, wenn er das möchte. Er hat gesagt, dass er das erste Gespräch gerne alleine führen würde, aber sicher danach (wie der Arzt ihm auch schon gesagt hat) auch Gespräche mit Angehörigen statt finden, und da würde er es dann natürlich schön finden, wenn ich mitkäme. Ich möchte ihn nicht in Schutz nehmen - ich kann ihn ja auch verstehen. Wenn ich mich in seine Situation hinein versetze, stelle ich mir das auch alles unheimlich schwierig vor. Er wollte immer das perfekte Leben führen, einen guten Job haben, eine nette Frau, ein kleines Häuschen, eine eigene kleine Familie. Stark sein, erfolgreich, Anerkennung bekommen. All das hat er (naja, die Kinder fehlen noch) - und dann zu realisieren und sich einzugestehen, dass man ein Drogenproblem hat, das stelle ich mir wirklich verdammt schwer vor. Ich bin mir sicher, dass er verstanden hat, dass ich so nicht weitermachen kann. Und - wenigstens in diesem letzten Gespräch - war er auch so ehrlich zu sagen, dass er das selbst total schlimm findet, dass er dieses Verlangen noch hat. Dass ihm das Angst macht. Und genau deshalb hoffe ich, er bleibt da dran.

    Ich entschuldige seine Sucht nicht. Es gibt überhaupt keinen Grund für seine Sucht, ausser dass er süchtig ist.
    Ich habe diese ganze Vorgeschichte mit der Kindheit etc. mit aufgeschrieben, damit man einfach ihn als Gesamtperson sieht, und um vielleicht Impulse zu bekommen, wenn jemand sich in der ein oder anderen Sache wiedererkennt.. Ich wünschte, ich könnte die Uhr zurück drehen und ihm eine unbeschwerte Kind- und Jugendzeit schenken. Aber das kann ich nicht. Das kann niemand. Er muss einfach nur verstehen, dass er JETZT etwas tun muss. Es ist eben auch so, dass wir beide in dem Alter sind, dass wir die Uhr ticken hören was Nachwuchs angeht. Aber mit dem Gedanken einer Schwangerschaft tue ich mich momentan wirklich schwer, weil ich finde, er sollte eigentlich erst mal wenigstens den ersten Schritt tun, um mit sich selbst ins reine zu kommen, bevor wir die Familienplanung angehen.

    Ja Franz, Du hast recht. Ein Stück weit würde ich ihn gerne kontrollieren. Ich bin ein kleiner Kontrollfreak. Dummerweise hat mein 7. Sinn bisher immer recht behalten. Sobald ich das Gefühl hatte, da ist irgendwas im Busch, stellte sich kurz darauf heraus, dass ich recht hatte. Und das war meist nix Schönes, was dabei raus kam. Ich weiss, ich muss mich davon lösen, Kontrolle haben zu wollen. Ich glaube, das fällt mir gerade so schwer, weil ich dann das Gefühl habe, ich gebe ihn auf. Und weil ich dadurch das Gefühl habe, ich distanziere mich von ihm. Diese ganze Sache ist eh schon so schwer, weil eben das Vertrauen so sehr gelitten hat durch diese immer-wieder-Lügen, die Heimlichkeiten, das hintergangen werden... das tut echt weh. Ich sage mir immer wieder: das ist die Sucht, das ist etwas, das i.d.R. dazu gehört. Aber es macht mich eben auch sehr traurig. Auf der anderen Seite denke ich dann wieder: ich bin doch seine Frau, er sollte doch das Vertrauen aufbringen, sich mir anzuvertrauen. Aber dann verstehe ich auch wieder, dass diese Vertrauenssache etwas ist, das bei ihm auch gelitten hat, weil auch ich mich oft falsch verhalten habe, aus Angst und aus Verzweiflung, weil ich nicht wusste, wie ich helfen kann und was ich tun soll... :bs:

    Ich habe Angst davor, dass wieder irgend ein Knall kommt. Das wieder irgendwas rauskommt, womit ich nicht gerechnet habe. Dass er mich wieder anlügt. Dass er womöglich heimlich irgendwas nimmt und mir vorgaukelt, er sei auf dem richtigen Weg.

    Die Caritas, mit der ich über alles gesprochen habe, hat für ihn eine ambulante Therapie vorgeschlagen. Er geht arbeiten, hat seinen Führerschein noch - so gesehen hat er noch wichtige Strukturen, in denen er sich bewegt. Er hat immer gesagt, dass er niemals eine stationäre Therapie machen würde, weil er sich das nicht erlauben könnte, so lange bei der Arbeit zu fehlen. Und ich weiss, dass er da Recht hat und dass sein Arbeitgeber ihn dann in null komma nix rausgeworfen hätte. Im letzten Gespräch sagte er, dass er bereit wäre, so eine ambulante Therapie zu machen, die würden ja auch Einzelgespräche anbieten. Allerdings hat er wohl nicht verstanden, dass auch Gruppengespräche dazu gehören. Und auch das ist etwas, wovor er sich scheut. Sich vor fremden Leuten zu öffnen und über all die Sachen zu reden, die ihm so passiert sind - das erscheint ihm absolut unmöglich. Ich denke, wenn er vielleicht einmal das Vertrauen zu einem Berater oder Therapeuten gefunden hat, und merkt, dass er sich da fallen lassen kann, ohne mit Vorwürfen oder Verachtung gestraft zu werden, vielleicht schafft er dann auch den Schritt in eine Gruppe.

    Dass dieser Suchtdruck nie wieder weggehen wird, das werde ich ihm jetzt nicht sagen. Dann wird er sicher entgegnen "dann brauch ich da ja erst gar nicht hingehen, dann können die mir ja gar nicht helfen". Typisch Süchtiger, schätze ich mal.

    Es hilft mir sehr, hier zu schreiben... und schon wieder ist ein kleiner Roman entstanden :gi:

    Ich wünsche Euch allen einen schönen Abend.
    Werde jetzt mal Essen kochen.

    Liebe Grüße,
    Liefje

  • Zunächst mal, Herzlich Willkommen, Liefje,

    ich möchte Dir meine Sicht der Dinge präsentieren, indem ich das gewünschte Feedback sende:

    Zitat von Liefje;250977

    Ich versuche mich zu informieren, so gut es nur geht. Lese im Internet, gehe zur Drogenberatung, möchte einfach auch gerne mit anderen Betroffenen (Süchtigen oder Ex-Abhängigen) sprechen,

    Ich hoffe Du meinst mit Süchtige die Co-Abhängigen?

    Zitat

    weil ich zu verstehen versuche, wie das ist - süchtig sein.

    Möchtest Du auch verstehen was co-abhängig ist?

    Zitat

    Welche Ängste mein Mann auch vielleicht hat und was vielleicht gerade in ihm vorgeht.

    Welche Ängste hast Du, was geht in Dir vor?

    Zitat

    Mit dem Thema Co-Abhängigkeit habe ich mich auch auseinander gesetzt. Ich weiss, ich bin von Haus aus ein sehr fürsorglicher Mensch,

    Der erste Teil des Satzes widerspricht dem Zweiten

    Zitat

    Ich möchte ihn nicht in Schutz nehmen - ich kann ihn ja auch verstehen. Wenn ich mich in seine Situation hinein versetze, stelle ich mir das auch alles unheimlich schwierig vor. Er wollte immer das perfekte Leben führen, einen guten Job haben, eine nette Frau, ein kleines Häuschen, eine eigene kleine Familie. Stark sein, erfolgreich, Anerkennung bekommen. All das hat er

    Halt, STOP, Pause: Du nimmst ihn permanent in Schutz. Bitte lese Deine eigenen Sätze.

    Zitat

    dass man ein Drogenproblem hat, das stelle ich mir wirklich verdammt schwer vor.

    Es liegt nicht in Deinem Aufgabenbereich, sich dies vorzustellen, denn Du bist selbst von Sucht betroffen, und soweit ich das beurteilen kann möchtest Du nicht darauf eingehen.

    Zitat

    Ich entschuldige seine Sucht nicht.

    Doch, das machst Du permanent.

    Zitat

    Ich habe diese ganze Vorgeschichte mit der Kindheit etc. mit aufgeschrieben, damit man einfach ihn als Gesamtperson sieht,

    Jeder Süchtige ist prinzipiell ein normaler Mensch und jeder Mensch hat eine Kindheit hinter sich und viele Aufgaben vor sich. Wir müssen die Sucht nicht kleinreden, entschuldigen bzw. erklären. Sucht ist selbsterklärend.

    Zitat

    Ich wünschte, ich könnte die Uhr zurück drehen und ihm eine unbeschwerte Kind- und Jugendzeit schenken.

    IHM? Wieso IHM?

    Zitat

    Er muss einfach nur verstehen, dass er JETZT etwas tun muss.

    Er oder Du?

    Zitat

    Es ist eben auch so, dass wir beide in dem Alter sind, dass wir die Uhr ticken hören was Nachwuchs angeht. Aber mit dem Gedanken einer Schwangerschaft tue ich mich momentan wirklich schwer, weil ich finde, er sollte eigentlich erst mal wenigstens den ersten Schritt tun, um mit sich selbst ins reine zu kommen, bevor wir die Familienplanung angehen.

    Du planst bereits. Obwohl er seine Sucht pflegt, somit erwägst Du gar nicht, dass Du Konsequenzen einleiten musst?

    Zitat

    Ja Franz, Du hast recht. Ein Stück weit würde ich ihn gerne kontrollieren. Ich bin ein kleiner Kontrollfreak.

    Kontrollsucht.

    Zitat

    Dummerweise hat mein 7. Sinn bisher immer recht behalten. Sobald ich das Gefühl hatte, da ist irgendwas im Busch, stellte sich kurz darauf heraus, dass ich recht hatte. Und das war meist nix Schönes, was dabei raus kam. Ich weiss, ich muss mich davon lösen, Kontrolle haben zu wollen. Ich glaube, das fällt mir gerade so schwer, weil ich dann das Gefühl habe, ich gebe ihn auf.

    Nein, Du würdest Deine Sucht aufgeben.

    Zitat

    Und weil ich dadurch das Gefühl habe, ich distanziere mich von ihm.

    Oder Du findest eine neue Nähe.

    Zitat

    Diese ganze Sache ist eh schon so schwer, weil eben das Vertrauen so sehr gelitten hat durch diese immer-wieder-Lügen, die Heimlichkeiten, das hintergangen werden... das tut echt weh. Ich sage mir immer wieder: das ist die Sucht, das ist etwas, das i.d.R. dazu gehört.

    Er muss mit seinen Taten die Grundlage für das Vertrauen schaffen und Du tust ihm einen Gefallen, wenn Du seine Missetaten nicht weiter entschuldigst

    Zitat

    er sollte doch das Vertrauen aufbringen, sich mir anzuvertrauen.

    Was soll er Dir denn sagen: hör zu meine Liebe, Du bist eine tolle Frau, aber der Alkohol und alles was damit zusammenhängt ist mir einfach wichtiger. Hast Du dafür Verständnis?

    Zitat

    Ich habe Angst davor, dass wieder irgend ein Knall kommt. Das wieder irgendwas rauskommt, womit ich nicht gerechnet habe. Dass er mich wieder anlügt. Dass er womöglich heimlich irgendwas nimmt und mir vorgaukelt, er sei auf dem richtigen Weg.

    Natürlich wird dieser Knall kommen und das weißt Du und es ist unendlich nervig, diesen Triumph zu feiern, nicht wahr?

    Zitat

    Er hat immer gesagt, dass er niemals eine stationäre Therapie machen würde, weil er sich das nicht erlauben könnte, so lange bei der Arbeit zu fehlen.

    Das ist absoluter Nonsense. Die Arbeitskollegen würden nach der Therapie zu ihm hinaufschauen. Denn nur wenige Menschen sind so mutig.

    Zitat

    Und ich weiss, dass er da Recht hat und dass sein Arbeitgeber ihn dann in null komma nix rausgeworfen hätte

    Was wäre dabei so schlimm? Immerhin wäre er dann frei von der Sucht und könnte ein neues Leben beginnen?

    Zitat

    dass er bereit wäre, so eine ambulante Therapie zu machen, die würden ja auch Einzelgespräche anbieten. Allerdings hat er wohl nicht verstanden, dass auch Gruppengespräche dazu gehören. Und auch das ist etwas, wovor er sich scheut. Sich vor fremden Leuten zu öffnen und über all die Sachen zu reden, die ihm so passiert sind - das erscheint ihm absolut unmöglich. Ich denke, wenn er vielleicht einmal das Vertrauen zu einem Berater oder Therapeuten gefunden hat, und merkt, dass er sich da fallen lassen kann, ohne mit Vorwürfen oder Verachtung gestraft zu werden, vielleicht schafft er dann auch den Schritt in eine Gruppe.

    Es geht in erster Linie darum einen Entschluß zu fassen. Alles andere ist sekundär. Die Sucht verschwindet nicht, indem man sich mit ein paar Leuten unterhällt.

    Zitat

    Dass dieser Suchtdruck nie wieder weggehen wird, das werde ich ihm jetzt nicht sagen. Dann wird er sicher entgegnen "dann brauch ich da ja erst gar nicht hingehen, dann können die mir ja gar nicht helfen". Typisch Süchtiger, schätze ich mal.

    Diese Bevormundungen... Himmel, Herrgott! Es muss keinen Suchtdruck geben, wenn er entsprechend sein Leben ändert. Du weißt jedoch jetzt schon, was er denken wird. Das ist einfach nur traurig und ich fürchte Dein Handeln ist stark mitverantwortlich für seinen nächsten Rückfall. Ich weiß dies sind harte Worte, aber ich bin hier um Dir Feedback zu geben und nicht um Dir Honig aufs Brot zu schmieren.

    Typisch Co-Abhängig würde ich sagen, wenn ich schwarz-weiß denken würde.

    Zitat

    Es hilft mir sehr, hier zu schreiben... und schon wieder ist ein kleiner Roman entstanden



    Es ist ganz Klasse, wenn Dir das schreiben hilft. Es wäre jedoch auch toll, wenn Du Dich mit Co-Abhängigkeit auseinandersetzen würdest. Franz hat sehr viel wahres dazu gesagt, meiner Meinung nach verdrängst Du jedoch die Tatsachen.

    Dies ist für Süchtige jedoch normal.

    Meiner Meinung nach hast weder Du noch Dein Mann die Situation erfasst und von den zwingend notwendigen Entscheidungen seid ihr beide noch weit entfernt. Ein mutiger Schritt wäre ihn ins Forum einzuladen und dann könnte er sich mit Süchtigen und Du Dich mit Co-Abhängigen auseinandersetzen.

    Ich wünsche Euch beiden viel Glück auf Eurem Weg.
    Liebe Grüße, A.

    P.S.: Meine Worte beziehen sich auf Deine Aussagen und sind nicht persönlich.

  • Hallo Liefje,

    Du schreibst Dir von der Seele, was auch ich in ähnlicher Form mit meinem Mann erlebt habe. Ich habe mich vor drei Monaten endgültig von ihm getrennt, nachdem ich über mehr als 10 Jahre hinweg seinen Versprechungen geglaubt habe, daß er aufhören wird, daß er nie wieder einen Tropfen Alkohol vbglossarlink.gif zu sich nehmen würde. Und jedesmal hielt es höchstens sechs Wochen. Seit einer Woche ist er nun in einer Entzugsklinik, weil er sich die Trennung wirklich zu Herzen genommen hat, und ich nicht nach den bis dahin üblichen 4-5 Tagen zu ihm zurückgegangen bin. Er hat es auf seine liebenswürdige, charmante Art immer wieder geschafft, mich an seine Seite zurückzuholen, nur um dann wieder mit der Trinkerei anzufangen. Dieses letzte Mal war für mich überlebensnotwendig, ich wäre sonst psychisch zerbrochen. Ich war nach der Trennung euphorisch und habe wieder richtig Kontakt mit meinen Kindern und ehemaligen Arbeitskollegen etc. aufgenommen, weil mir ein ganzes Gebirge von der Seele gefallen war, denn ich hatte den Knopf im Kopf auf "EGAL" gestellt, egal was mit ihm wird, wenn ich nicht mehr da bin. Auf der einen Seite war es richtig, auf der anderen Seite spricht mein schlechtes Gewissen, daß ich ihn im Stich gelassen habe. Seit er nun in der Klinik ist, muß ich jeden Tag weinen, aber ich weine nicht um ihn, sondern um mich, und auch jetzt, beim Schreiben laufen mir die Tränen, ich kann gar nicht mehr aufhören. Es ist so schwierig, ich bin ein Kopfmensch und erlebe jetzt für mich selber einen Kontrollverlust und weiß nicht, wie ich mir helfen soll. Ich sage mir: laß es `raus, es sind die Tränen, die ich in den letzten Jahren nicht weinen konnte, aber ich fürchte auch, daß ich in Selbstmitleid abdrifte, wo ist die Grenze? Ich fühle mich einfach total beschissen......Ich habe kein Vertrauen mehr in ihn und werde nicht zu ihm zurückkehren, auch wenn er durch den Klinikaufenthalt tatsächlich dauerhaft abstinent bleibt.

    Du hast vielleicht das Glück, mit Deinem Mann in einer Paartherapie vbglossarlink.gif einen gemeinsamen Weg zu finden, versuch es, ich wünsche Dir alles Gute

  • Liebe Liefje
    Ich bin seit über 20 Jahren mit meinem Partner zusammen und war auch co-abhängig. Noch heute kann es passieren, dass ich zwischendurch in alte Verhaltensmuster zurückfalle. Auch loszukommen von Co-Abhängigkeit ist harte Arbeit. Wir haben vor Jahren eine Paartherapie gemacht, später hat mein Partner eine stationäre Therapie gemacht und ich habe gemerkt, dass ich mit seiner Veränderung nicht zurecht komme und habe mir einen Therapeuten gesucht und Einzel- und Gruppentherapie gemacht. Heute ist es so, dass mein Partner im Gegensatz zu früher absolut kein Kokain mehr konsumiert, i.V. nicht mehr konsumiert, im Methadon Programm ist, aber dennoch (wenn auch eher selten) Heroin konsumiert. Klar wäre es mir lieber, wenn er gar keinen Beikonsum hätte, ich musste mich jedoch fragen, ob mich die heutige Situation belastet oder nicht und so konnte ich entscheiden, was ich für mich will. Ich bin zum Schluss gekommen, dass wir es wirklich gut zusammen haben (ich kannte eben auch andere Zeiten, voller Ohnmacht etc.) und ich weiterhin mit meinem Partner zusammenbleiben will. Das mit den tausend Entschuldigungen, nicht verletzen wollen, den richtigen Zeitpunkt abwarten, Verlustangst etc. kenne ich von früher zur Genüge.
    Liebe Grüsse und alles Gute

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