Unterschiedliche Meinungen und Gruppen nach Suchtart??

  • Liebe Mitglieder, liebe Mitleser,

    in einem anderen Thema ("Übergangskiffen" - Harmlos?) kam eine Diskussion auf, welche mich wirklich interessiert - die Art wie man untereinander umgeht, wenn verschiedene Suchtstoffe in einen Topf geworfen werden.

    Viele kennen es, wenn man klinisch entzieht, eine allgemeine SHG besucht oder auch aus Foren - es gibt Kiffer, Alkoholiker, Junkies und Medikamentenabhängige.
    Was passiert da manchmal?
    Es kommen komplett verschiedene Meinungen und Aussagen was Entzug oder Entwöhnung angeht, man mein eine andere Suchtform ist was ganz anderes, vielleicht sogar was besseres?

    Es ist klar, medizinisch muss man natürlich unterschiedlich an einen Entzug herangehen, ob das körperlicher Natur ist oder 'Mehrfachabhängigkeit betrifft, egal was, da ist es ja irgendwie logisch.
    Meine Frage zielt eher in Richtung "'Sucht ist 'Sucht", wo unterscheiden wir uns?!

    Ich kenne das aus Zeiten von Entzugsstationen, Mediabhängige sind manchmal über allen anderen gestanden, Aussagen wie legale 'Sucht sind da gefallen - weil ja vom Arzt verschrieben.
    Der Heroinabhängige kann den Alkoholiker nicht verstehen, der Kiffer wird von keinem ernst genommen, weil der ja nur mit ner Pipifax-Droge hantiert usw.

    Ist da wirklich was dran?
    Gibt es diese Gruppenbildung und wenn ja, warum eigentlich?

    Ich unterscheide da möglichst nicht, wenn dann liegt eine Unterscheidung allein in der Persönlichkeit eines Betroffenen, nicht am Suchtstoff.

    Was meint ihr dazu?

    LG Franz

  • Ich hatte ja schon im vorhergehenden Thema geschrieben, dass mich das auch brennend interessieren würde, und hatte probiert da ein paar Gedankengänge zu sammeln.

    Die zentrale Frage lautet tatsächlich "Ist Sucht gleich Sucht?" Behandelt unser Gesundheitssystem alle Süchtigen fast gleich und wirft sie in einen Topf, weil es tatsächlich keinen Sinn macht zu unterscheiden, oder wird so verfahren, weil wir es uns schlichtweg nicht leisten können, differenzierter vorzugehen?

    Zitat

    Gibt es diese Gruppenbildung und wenn ja, warum eigentlich?

    Ich hatte ja schon im vorherigen Beitrag probiert einen Gedanken zu entwickeln, der sich mit der Suchtkarriere noch vor Entzug, noch vor dem Umstand sich überhaupt einzugestehen ein Problem zu haben, beschäftigt.
    Ich persönlich habe dieses Abgrenzen eigentlich permanent erlebt. Der Eine schaute auf den Anderen herab, und sprach ihm gänzlich andere Beweggründe für seinen Konsum zu. (Speedhead zu Kiffer: "Ey, Kiffen macht blöd!")
    Ich halte das auch für eine Form der Abwehr, sich mit seinen eigenen Problemen auseinandersetzen zu müssen. Indem man andere abwertet, kann man sich prima aufwerten, getreu dem Motto: "Bei mir ist alles halb so schlimm, wenn ich mir mal die Anderen anschaue!" Zentral scheint da auch irgendwo zu sein, dass man auf jeden Fall die richtige Droge gewählt hat, die am wenigsten Probleme bereitet. Alles ganz easy, man ist ja ohnehin der Schlaueste, und hat ja auch noch den richtigen Umgang mit der richtigen Droge. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich so eine Einstellung bis zum Entzug und weiter durchzieht.
    Beim Entzug vielleicht auch für viele (kann mir jetzt gerade gut die Kiffer und Aufputschmittelnutzer vorstellen) eine Form, sich den Optimismus zu bewahren: "Hätte ich mit dem Alk angefangen, wäre ich jetzt auch so arm dran. Aber mit "meiner" Droge ist das alles viel leichter."

    Zitat

    Ich unterscheide da möglichst nicht, wenn dann liegt eine Unterscheidung allein in der Persönlichkeit eines Betroffenen, nicht am Suchtstoff.


    Auf der anderen Seite muss man natürlich auch fragen, welche Persönlichkeiten von welchen Drogen angezogen werden. Der "karrieregeile Machtbesessene" wird mit Sicherheit mehr Gefallen an Kokain & Co. finden, als Kraft seiner Heroinsuppe den Tag in der Horizontalen zu verbringen. Illegalität ist ja auch so ein Faktor: Wer ist bereit, den Schritt in die Illegalität zu gehen? Handeln mit Gras ist kein Ding, mit Chemo geht aber gar nicht, obwohl man selbst Solchige konsumiert. Als Begründung habe ich neben den gesetzlichen Folgen auch schon gehört, man wolle schließlich nicht noch Andere schädigen. Da kommt doch schon eine unterschiedliche Wertung zu Tage.

    Ich weiß ja auch nicht, wie das aktuell so auf Therapie gehandhabt wird, aber ich denke schon, dass unterschiedliche Suchtmittel eine teilweise andere Vorgehensweise erforden, man ihren jeweiligen Besonderheiten Rechnung tragen sollte.
    Alkohol ist beispielsweise extrem leicht verfügbar. Ein paar Meter neben dem Klinikausgang wartet der nächste "Dealer". Die halbe Welt hält Kiffen für harmlos und folglich kommt sich der Problemkiffer vielleicht missverstanden vor, und ein Teil seines Umfelds beharrt vielleicht darauf, dass man damit überhaupt kein Problem haben kann. Speedjunkies haben oft Mühe, zu einer gesunden Zeiteinteilung zu finden. Das an die (Pseudo-)"Leistungsfähigkeit" gewöhnte Umfeld setzt den Ex-Konsumenten vielleicht extrem unter Stress. Der Kokainabhängige hat auf einmal vielleicht extreme Probleme mit Teilaspekten seiner Arbeit, weil er andauernd Vorträge vor Publikum halten muss, und sich seine Schüchternheit all die Jahre nur weggeschnupft hat. (Ich kannte mal einen Flötisten, der Solo-Parts bei Auftritten in Opernhäusern nur unter Koks bewältigen konnte.)
    Klar sind das jetzt nur Teilaspekte, aber davon gibt es noch viele mehr, und ich denke die Frage ist berechtigt, inwiefern diese Einfluss auf den "Charakter" einer Sucht, und vielleicht auch deren Entzugs-, bzw. Entwöhnungsprozess haben?

    Ich bin auch mal gespannt auf eure Meinung dazu.

  • Sehr gut, WBD:fr:

    Zitat von WrongByDesign;228650

    Ich bin auch mal gespannt auf eure Meinung dazu.

    ...Deinem Beitrag gibt es von Meiner Seite her nichts mehr hinzuzufügen:gi:.


    Genauso wie Du sehe ich das auch.

    Außer vielleicht ein klitzekleines Veto: Und zwar, dass unterschiedliche Suchtmittel unterschiedliche Vorgehensweisen erfordern.
    Unseren Therapeuten war es völlig Schnuppe, ob er einen Alki, Junkie, oder sonstwas vor sich hat.
    Nicht das Suchtmittel steht/stand im Vordergrund, sondern die Bearbeitung der Probleme, die zur Sucht geführt haben.

    Ich traue mir zu behaupten, das ist auch der Irrglaube eines jeden Süchtigen -und führt DANN unweigerlich zur Gruppenbildung- vor....während...aber hoffentlich nicht mehr nach der Therapie. Dem wird dort (bei uns war das jedenfalls so) mit aller Macht begegnet.
    Ich habe Anfangs immerwieder zu hören gekriegt: DU bist hier nichts besonderes! Dein Problem liegt woanders! Bei dir war eben der Schnaps das Mittel zum Zweck.


    Gruß
    Dry

  • Zitat

    Nicht das Suchtmittel steht/stand im Vordergrund, sondern die Bearbeitung der Probleme, die zur Sucht geführt haben.

    Aus der Perspektive ist ja ein bewusst unterschiedliches Vorgehen auch in dem Sinne nicht notwendig, weil sich das ja dann aus den unterschiedlichen Problemlagen heraus irgendwo ganz von allein ergibt.

    Das Wort Vorgehen gefällt mir in meinem Beitrag auch nicht sonderlich. Vielleicht eher "andere Elemente einflechten" oder etwas in der Art. Mir spukt da vor allem gerade die leichte Verfügbarkeit von Alkohol so ein bisserl im Hinterkopf herum. So wie ich das kenne, wird ja auch so eine Edukation in die Richtung Vermeidungsstrategien usw. behandelt. War das bei euch auch so?

  • Zitat

    So wie ich das kenne, wird ja auch so eine Edukation in die Richtung Vermeidungsstrategien usw. behandelt. War das bei euch auch so?

    Hmm:ce: "Vermeidungsstrategie"......

    Wie Du schon selber sagst - die Verfügbarkeit. Nicht zu vergessen, die "Normalität" im Umgang mit Alkohol für die Nicht-Süchtige-Gesellschaft macht Vermeidungsstrategien des Alkoholikers nicht gerade leichter.
    Dazu sag ich nur: Man kann alles - Mann muss aber nichts vermeiden!


    Es gibt ja genug trockene Alkis: Die "Staubtrockenen"...(ich kenne auch so welche:k:), die ziehen sich zurück....vermeiden alles, was ihnen früher mal Spaß gemacht hat, nur um nicht wieder dran erinnert zu werden, dass sie mal gesoffen haben.

    Dat is nix für mich:dg:...Ich will LEBEN:go:!

    Wenn ich keine Einbußen in Kauf nehmen - nicht als Sonderling behandelt werden will (und das möchte ich nicht), dann sind meine Vermeidungsstrategien von außen kaum merkbar. Ich hab meine Einstellung strikt auf mein Inneres begrenzt. Ich hab das "Problem", niemand anderes!


    Jo...:ce:Die Vorbereitung in der Thera auf "Draußen", was die Vermeidungsstrategie angeht, war eine etwas andere, als ich sie heute lebe:ce:.

    Und das funktioniert bis jetzt ganz gut....Schon bald 4 Jahre:gi:


    Jo...:ce:kann sein, dass wir jetzt völlig aneinander vorbeigeredet haben:k:...dann vergiss einfach, was ich geschrieben hab:go:


    Gruß
    Dry

  • Zitat von WrongByDesign;228650

    Klar sind das jetzt nur Teilaspekte, aber davon gibt es noch viele mehr, und ich denke die Frage ist berechtigt, inwiefern diese Einfluss auf den "Charakter" einer Sucht, und vielleicht auch deren Entzugs-, bzw. Entwöhnungsprozess haben?

    Hier taucht fuer mich erst einmal die Frage auf warum man in eine Sucht geraten ist ?

    Lag es daran das man mit sich selbst nicht klar kam, das man sich nicht verstanden gefuehlt hat, das man sich vielleicht einsam und verlassen gefuehlt hat, das man sich ungeliebt gefuehlt hat usw.usw...

    oder hat es was mit den Leistungsanforderungen der Gesellschaft zu tun oder ist das private und/oder berufliche Umfeld nicht in Ordnung usw.usw....

    liegen irgendwelche traumatischen Erlebnisse vor die ja unterschiedlichster Natur sein koennen, das kann ein weggenommenes Spielzeug in fruehester Kindheit gewesen sein, Haenseleien in Kindergarten und Schule oder dramatische Erlebnisse wie Vergewaltigungen, Terroranschlaege oder auch ganz normalen Sachen wie Trennungen von einem Partner, natuerlicher Tod eines Familienangehoerigen usw.usw...

    Es versucht ja jeder erst einmal auf seine Art und Weise die Ursachen zu verarbeiten. Und wenn man das nicht hinbekommt dann versucht man sich Hilfsmittel zu verschaffen um damit "leben" zu koennen. Und erstaunlicherweise helfen diese Hilfsmittel anfangs ja auch etwas die Umstaende ertraeglich zu machen, zumindest scheint es dem Betroffenen so weil im Zustand des Rausches die Probleme alle viel kleiner werden.

    Der Zugriff zu den unterschiedlichsten Drogen wird meiner Meinung dann auch durch das persoenliche Umfeld beeinflusst und man schliesst sich dann irgendwie einer "Drogenkonsumgemeinschaft" an. Hier wird ja eigentlich schon der Grundstein fuer die eigene Wertigkeit der verwendeten Droge geschaffen. Der Banker, der kokst ist nun mal eine etwas elitaerere Person als der Arbeitslose der saeuft...als einfaches Beispiel benannt und dementsprechend werten manche Leute ihre Droge auf. Andere Wertigkeiten werden ja auch erzielt durch den Unterschied der legalen Droge (...das kann ja jeder, die bekommst Du ja ueberall...) und der illegalen Droge (...man, habe ich die Polizei an der Nase herumgefuehrt, die konnten nie was finden, boah bin ich clever...).

    Selbst bei der legalen Droge Alkohol gibt es ja "Wertunterschiede" zumindest waehrend der Entgiftung, da gibt es dann die Schmalspurtrinker (die saufen so wie ich zwischen 10 und nach oben unbegrenzt Liter an Bier) und den Hardcoretrinkern (die knallen sich ein paar Flaschen Schnaps rein) die sich dann auch hoeherwertig vorkommen weil eine Flasche Schnaps ja teurer ist wie eine Flasche Bier und weil die schneller dreht und man da doch trinkfester sein muss fuer...welch ein Nonsense aber mehrfach erlebt....

    Und ich denke mal das diese Gruppenbildung bei den illegalen Drogen da auch auf einem "Preis-Leistungsverhaeltnis" entsteht. Die eine Droge ist billiger wie die andere und gibt einen kleineren "Kick".

    Das fuehrt zu "Bewertungen" innerhalb einer gemischten Gruppe und durch die teilweise unterschiedlichen Entzugssymptome wird ja noch einmal der schwerere Entzug bewertet wodurch manche Drogen als Pipifax hingestellt werden obwohl sie es gar nicht sind. Die Bewertung der eigenen Problematik waehrend des eigenen Entzuges spielt da meiner Meinung nach eine uebergeordnete Rolle, hier tritt das Suchtmittel in den Hintergrund.

    Viele Gruesse:

    Siegfried

  • Hallo ihr lieben,

    Ich misch mich auch mal ein :grinning_face_with_smiling_eyes: Bin zwar neu hier aber habe auch meine Suchterfahrungen.:r:
    Mir ist diese Klassifizierung von Süchtigen einige male aufgefallen.
    Ich habe den klassischen weg gemacht. Mit Gras angefangen über alle Partydrogen wie XTC,LSD,Mdma kristalle,Pilze und bin dann über Jahre auf Speed und Gras hängen geblieben.Hauptsächlich (so denke ich heute) um meine Emotional Instabile Persönlichkeit auszuhalten und etwas konstanter zu halten.
    2010 Bin ich dann wegen allerlei Problemen beim Psychater gelandet. Der wollte mich natürlich sofort in die Entgiftung stecken. Das wollte ich nicht und versprach zu Hause zu entziehen. Das habe ich dann auch geschafft. Nichts desto trotz bin ich dann clean in die Klinik gegangen.Allerdings auf die Psychotherapiestation. Musste aber die Suchtgruppe besuchen. In der Klinik wurden die Suchtgruppen geteilt --->Legal Suchtgruppe 1 ---> Illegal Suchtgruppe 2
    Ich kam natürlich in Suchtgruppe 2 :cb: Und da in der Gruppe nur Heroinabhängige waren hab ich mich erstmal sehr unwohl gefühlt. Erstmal weil niemand dort irgendwas ernst genommen hat. Und zum zweiten weil ich "außer der Sucht" nichts mit denen gemein hatte.
    Vor allem aber störte mich die Aussage ich sei gar nicht Süchtig.Ich wüsste nicht was Suchtdruck ist und hätte ja auch nie Körperliche Entzüge gehabt. Ich wurde mindestens 2 Wochen nur belächelt. Bis ich dann mal ausgerastet bin und lautstark erklärte das ich es zum kotzen finde wie selbstherrlich sie ihrer Droge huldigen und sich selbst bemitleiden. Und ganz genau dargestellt habe was die Sucht bei mir angerichtet hat. Auch wenn es kein Heroin war. Und das ich es nicht verstehen kann wie jemand der Süchtig ist sich über einen anderen Süchtigen stellt.
    Selbst die Suchttherapeutin hat nix mehr gesagt.

    Die Krankheit bleibt in meinen Augen die selbe. Auch wenn die Schäden der Sucht und die Therapie sich stellenweise unterscheiden sollten.

    lieben Gruß vom Sorgenkind

  • Hi,

    als alter Politoxler kenne ich da einige der Gruppen aus eigener Erfahrung.
    Natürlich ist das Gruppendenken am heftigsten, wenn man noch druff ist.
    Auf den Scenes regelt sich das ja meistens von selbst - durch verschiedene "Tatorte".
    Hier der Junk Park, da die Kiffer etc...

    Wobei ich sagen muß, dass das in den 3 jahrzehnten, die ich das gelebt habe, schon aufgeweicht wurde.
    Scenes haben sich vermischt...was wohl auch an der steigenden Tendenz liegen mag, relativ wahllos zu konsumieren,
    Hauptsache, es haut rein.

    Ich persönlich, BEMÜHE mich, keine Unterschiede zu machen...gebe aber gerne zu, dass ich - aus eigenen Erfahrungen halt - dazu neige,
    den Kiff als 'relativ harmlos' zu handeln.

    Aber Sucht ist Sucht, das ist ganz klar! LG.Gane

  • Findet der eigentliche Entzug nicht im Kopf statt? Sogenannte Kopfarbeit die über den Entzug und Reha hinausgeht. So war es bei mir. Mit der Zeit ist das so in meinem Alltag ohne Alkohol mit eingewoben. Nicht zu Trinken ist bei mir zur gewohnheit geworden wie Früher das Trinken.
    Ich gehe hier von meinen Erfahrungen und Erlebnisen aus. Übrigens bin ich 9 jahre Trocken und freue mich immer wieder wenn ich einen Schwierigen Tag ohne Alkohol gemeistert habe.

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