Mein SVV

  • Das erste Mal trat das SVV mit 10 Jahren auf. Ich hatte mich versehentlich verletzt und merkte dabei, das mir dies gut tat. Ich habe seitdem manchmal zu SVV gegriffen. Mit 12 Jahren wurde es dann zur Regelmäßigkeit. Das versuchte ich immer irgendwie zu verstecken, deshalb machte ich es an Stellen die nicht sichtbar waren. Doch das reichte bald nicht mehr. Nun machte ich es auch an den Armen und musste dementsprechend immer für Ausreden sorgen. In der Schule wurde schon geredet und zu Hause gab es auch Diskussionen über meine "Sportverletzungen". Mit 16 Jahren, direkt nach dem Tod meiner Oma nahm das SVV enorm zu. Ich verletzte mich nun täglich auf verschiedenen Art und Weise. Schneiden, Brennen und Knochen brechen waren die Hauptmethoden. Kurz vor meinem 18. Geburtstag als meine einzige Freundin im Leben starb, verletzte ich mich das erste mal chirurgiepflichtig. Es war ein schrecklicher Teufelskreis, ich verletzte mich weil es mir schlecht geht und dann hasste ich mich mehr, weswegen ich mich wieder bestrafen musste. Nun wusste auch jeder was ich da mache und das es keine Sportverletzungen sind. Ich wurde abgestempelt, nieder gemacht und zu Hause ging ich durch die Hölle. Mittlerweile ist es so, dass ich mich täglich verletze/ oberflächlich und 1-2 pro Woche chirurgiepflichtig. Meistens lasse ich diese Wunden im Krankenhaus nähen, was jedesmal wieder sehr verletzend ist. Die Reaktion des Klinikpersonals, die Blicke von den anderen Patienten. Es kommt aber auch vor, dass ich es selbst versorge und es nicht nähen lasse. Ich schäme mich für meine Narben, mein ganzer Körper ist voll. Deshalb trage ich niemals kurz auch im Hochsommer nicht. Meine Therapeutin sagt, ich muss dazu stehen, aber das kann ich nicht. Ich hasse mich dafür und schäme mich.
    Mein Ziel ist es, das SVV zu verringern und hoffentlich die chirurgiepflichtigen Verletzungen zu verhindern.

  • Hallo Seelenschmerz,

    ich selbst leide auch unter SVV. Allerdings bei weitem nicht so heftig wie du. Was musst du armes Wesen durchgemacht und erlebt haben, dass es bei dir diese Ausmaße angenommen hat... *mal mitfühlend in den Arm nehm, wenn ich darf*

    Du bist in Therapie, das ist schon mal sehr gut. Irgendwann ist es sicherlich gut, wenn du zu deinen Narben stehen kannst, aber diesen Zeitpunkt bestimmst ganz allein du!!!! Das Ziel sollte es jetzt wirklich erst einmal sein, das SVV in den Griff zu bekommen und die Ursachen zu bearbeiten, damit das SVV-Verlagen schon allein dadurch vielleicht etwas abnehmen kann.

    Wenn du in Therapie bist, hast du bestimmt schon mal von Skills gehört?! Gibt es da etwas, was dir hilft, was den Druck vermindert und das dafür sorgt, dass du dich weniger schwer oder vielleicht sogar gar nicht verletzt?

  • Danke für deine Antwort. Ich erschrecke selbst immer, wenn ich sehe, was ich mit meinem Körper mache. Verzweiflung ist natürlich ziemlich groß, ich war nun schon 13 mal in Kliniken und da war SVV auch ein Thema, aber eine Besserung gab es nie. Ich habe Skills für mich gefunden die auch ab und zu helfen. Allerdings sind Skills nur Verschiebungsmethoden. Der Druck an sich ist nicht weg, er wurde nur aufgeschoben. Skills wie Eispack, Igelball, Kieselsteine im Schuh usw. habe ich für mich entdeckt, allerdings kommt es auch auf den Druck an ob sie helfen. Ich übe momentan solche Skills wie: Konzentration auf einen anderen Augenblick, Gefühle ersetzen und sowas. Der Erfolg ist mäßig, aber ich werde weiter machen. Die Hauptarbeit liegt allerdings an der Ursachenarbeit. Das habe ich teilweise in der Traumaklinik schon angefangen, allerdings mit wenig positivem Ende. In meiner ambulanten Therapie sind wir gerade noch so am Kennenlernen und Ressourcenarbeit. Ich habe früher sehr viel Sport getrieben und meine Therapeutin würde es gerne sehen, dass ich jetzt damit wieder anfange, allerdings stehen mir da die Narben im Weg oder besser gesagt, das Schamgefühl.

  • Sport ist eine sehr gute Sache! Und für joggen, walken, Fahrradfahren z.B. braucht man niemand anderen, vor dem man sich schämen müsste und kann sich super auspowern.

    Was für Gefühle empfindest du, wenn du Verlangen hast?
    Bei Wut hilft es mir z.B. die raus zu lassen, aber halt nicht durch SVV, sondern z.B. durch Schreien, einen Boxsack verdreschen (den kannst auch in deiner Wohnung aufhängen) oder aufschreiben.
    Bei Traurigkeit hilft es mir manchmal, mich selbst in den Arm zu nehmen, mir selbst über die Arme zu streicheln oder auch aufschreiben.

  • Ja Sport machen ist nicht das Problem, Sport im Verein allerdings ist für mich ein Problem. Ich habe das meiner Therapeutin mitgeteilt und sie hat es erstmal akzeptiert.

    Meisten empfinde ich Selbsthass, d.h. ich will mir schaden ich will mich vernichten also verletze ich mich.
    Außerdem Wut, wenn ich wütend auf andere Menschen werde, dann richte ich die Wut nicht gegen sie sondern gegen mich und verletze mich.
    Schuldgefühle oder das Gefühl falsch gehandelt zu haben, dann verletze ich mich um mich zu bestrafen.
    Ekelgefühle, ich verletze mich um es rausfließen zu lassen.
    Traurigkeit und Angst führen auch oft dazu.

    Mit dem Boxsack das habe ich mal versucht, aber ohne Erfolg. Hauptsächlich hängt es auch damit zusammen, das Gefühle bei mir verboten sind. Schon als Kleinkind wurde ich bestraft wenn ich Gefühle zeigte und das habe ich übernommen. Gefühle dürfen bei mir nicht sein und deshalb ist es wie eine "Sünde". Ich denke wenn ich dem gegenüber anders denken würde, dann würde ich auch anders mit den Gefühlen umgehen können. Zumindest wurde mir dies in der Therapie gesagt.

  • Ich habe mich wieder geschnitten. Ich war in einer Krise, hatte Flashbacks und Suchtdruck. Ich setzte alle Hoffnung in das Treffen mit meiner Betreuerin, mit ihr zusammen wollte ich einen Weg aus der Krise finden. Ich wollte vielleicht einfach auch nur mit jemanden reden. Ich machte mich also auf den Weg zu ihr und bekam kurz bevor ich da war einen Anruf. Sie war am Telefon und sagte den Termin ab, denn sie wolle eine andere Klientin im Krankenhaus besuchen. Das hätte sie auch danach machen können, aber es war ja einfacher den Termin mit mir abzusagen. Ich war gekränkt und hilflos. Die Verzweiflung wuchs und ich war kurz davor mir Alkohol zu besorgen, ich dachte sogar an Drogen. Um dies zu verhindern suchte ich mir eine Glasscherbe und schnitt mich. Ich war wie im Wahn, ich konnte nicht aufhören und so kam es zu 4 tiefe Schnittwunden und 7 eher harmlose Wunden. Ich bin sofort ins Krankenhaus, wo ich erstmal wieder voll den Vortrag bekam. In dem Krankenhaus bin ich schon bekannt und es gibt einige Ärzte die sehr nett sind, aber es gibt auch 2 die echt unfair sind. Und genau einer von den beiden hatte Dienst. Na ja nun sitz ich zu Hause, habe zwar kein Suchtdruck mehr, aber Leidensdruck. Nun heißt es bis morgen durchhalten und dann der Termin mit meiner Therapeutin.

  • :frowning_face: Schade, dass du nicht anders damit umgehen konntest... Hättest du deine Betreuerin nicht am telefon fragen können, ob sie nicht nach eurem Termin ins KH gehen kann, das Gespräch mit ihr wäre sehr wichtig für dich?

  • Ich hätte sie fragen können, aber ich habe in dem Moment an die andere Klientin gedacht. Ich war zu feige oder vielleicht wollte ich einfach mal wieder anderes Wohl nach meinem stellen. Ich bin am Ende, die letzten Minuten waren wieder sehr schlimm.

  • *mal lieb in den Arm nehm*

    Denk an morgen, da kannst wieder zu deiner Therapeutin! Halt so lang durch!!!

  • Hallo Seelenschmerz,

    Das ist gut nachvollziehbar, dass du starken Druck bekamst, als du dies hier:

    Zitat

    Das hätte sie auch danach machen können, aber es war ja einfacher den Termin mit mir abzusagen


    denken musstest. Bist du dir aber da auch sicher, dass es wirklich so war? Besteht nicht auch die Möglichkeit, dass das keine "Zurückstoßung" in deine Richtung war, sondern diesesmal wirklich nicht anders ging, vlt, weil Nachmittags bereits etwas anderes los war. Klar, schön wäre es dann immernoch nicht gewesen, aber eventuell nicht ganz so schlimm? Was kannst du tun, damit, wenn wieder mal soetwas vorkommt, es anders läuft?
    Und wirst du mit deiner Betreuerin nochmal darüber sprechen? Kannst du ihr sagen, dass du dir weniger wert vorgekommen bist und kannst du ihr vlt auch sagen, dass du in solchen Momenten auch nicht in der Lage bist, für dich selbst einzutreten?
    Der eine Punkt ist ja der, denke ich, der Zurückweisung, der andere: das nicht-für-sich-eintreten. Wenn du besser lernst, für dich zu kämpfen, ensteht auch viel weniger Druck, das ist meine Erfahrung.

    Bitte denk daran, dass dein Wert nicht davon abhängt, wieviel wert du vermeindlich anderen bist, sondern wieviel Wert du dir selbst gibst, mach dich nicht so abhängig von den spontanen Launen anderer (wenn´s geht :winking_face: ).
    Pass auf dich auf, besser.

    lg,
    grany

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