Ratschläge für einen Angehörigen eines Betroffenen

  • Hallo zusammen

    auf der Suche nach Hilfe als Angehöriger bin ich auf das Forum gestoßen und sehr froh darüber. Folgendes Problem habe ich: Schon seit Jahren hat mein Vater ein schon suchtähnliches Problem mit dem "billig-Fusel" Rosé Wein von einem bekannten deutschen Discounter mit A am Anfang. Er wird im Oktober 65 und geht in Rente. Das ganze begann ungefähr vor 16 Jahren, als wir meine Oma, seine Schwiegermutter, bei uns Zuhause hatten um sie zu pflegen, weil sie damals schwer krank wurde und alleine nicht mehr konnte. Er nutzte es damals, so wie heute auch noch, als Stressbewältigung und um bestimmte Sachen zu verdrängen, bzw. sich, im wahrsten Sinne, schön zu trinken. Ich habe bereits mit ihm letzten Sommer viele Diskussionen darüber geführt und bin auch manchmal laut geworden oder vll. auch ihm gegenüber verletztend in der Wortwahl - aber ich war halt sauer und aufgebracht. Mein Bruder hat sich in diese Sache ebenfalls schon eingeschaltet und mit ihm - im Gegensatz zu mir - ruhig und sachlich geredet. Dazu muss ich sagen, daß im letzten August meine Mutter leider verstorben ist nach kurzer schwerer Krankheit (welche nichts mit Alkohol zu tun hatte). Das war auch letztes Jahr schon, als sie noch lebte und in div. Krankenhäusern lag, meine größte Sorge: Was ist, wenn sie stirbt? Geht mein Vater dann, durch diesen Rosé vor die Hunde? Er bringt sich täglich eine Pulle davon in seinem Arbeitskoffer mit nach Hause von der Arbeit - er kauft sich das Zeug, wenn er im Aussendienst unterwegs ist. Und teilweise versteckt er es auch in der Wohnung (Kleiderschrank, Wohnzimmerschrank). Mein Bruder und ich haben schon viel darüber gesprochen, ihn zu unserer Hausärztin zu bringen und die Karten - mit ihm zusammen - auf den Tisch zu legen. Aber mein Vater meint natürlich, daß er kein Problem hat und ja auch nicht viel trinkt. Wenn er abends um 20 Uhr schon angetrunken ist, und dann grad mal 3 1/2 Stunden zuhause ist von der Arbeit, tut mir leid, aber da könnte ich immer wieder ausrasten. Inzwischen sprech ich ihn auch gar nicht mehr drauf an, auf verstecke Flaschen oder daß er sich das Zeug von der Arbeit mit nach Hause bringt. Es geht bei ihm ins linke Ohr rein, am rechten wieder raus. Er hört zwar zu und sagt auch "Ja, ihr habt ja recht..." Aber daß ist dann am nächsten Tag, oder im worst case kurze Zeit später schon wieder hinfällig. Mein Bruder und ich überlegen nun, wie wir ihm am besten helfen wollen. Daß Gute ist bei ihm, daß er trotz des hohen Konsums gesund ist und auch seine Werte soweit noch in Ordnung sind. Leider vergisst er aber das Essen teilweise durch den Rosé. Letzten Sommer, als ich mit ihm mal wieder lange und auch intensiv gesprochen hatte, hatte ich ihn soweit - auch weil meine Mutter in dem Moment auf dem Weg der Besserung war - daß er nichts mehr trinkt. Stattdessen hat er dann wie ein Weltmeister gegessen und selbst meiner Mutter hat das gut gefallen, daß er etwas zugenommen hat. Dazu muss ich sagen, daß seine Familie (Geschwistern; Eltern) allesamt nicht dick sind oder waren. Sie sind alle sehr schlank. Aber auch deswegen, weil er teilweise nur einen halben Teller isst von irgendwas, und stattdessen dann trinkt, kann es einfach auch nicht mehr weitergehen.

    Wir überlegen nun ihn entweder irgendwo stationär oder ambulant unterzubringen, in Absprache mit unserer Ärztin. Vll. kann mir ja jemand hier, oder sogar mehrere, Tipps geben, wie wir daß angehen könnten. Wie gesagt: Mein Bruder und ich haben schon von Reden bishin zu ihn damit zu konfrontieren, ihn zum Arzt zu schleppen und dann alles auf den Tisch zu legen, versucht. Natürlich wissen wir auch, daß der Tod unserer Mutter ihm immer noch sehr weh tut. Aber es ist nunmal leider so und auch wenn sie dieses Jahr 40 Jahre verheiratet gewesen wären und sich seit 45 Jahren kannten, das Leben geht weiter und wir können es leider nicht mehr ändern. Wir wollen ihm unbedingt helfen und nicht aufgeben, dafür lieben wir ihn beide zu sehr.

    Dazu hat er zwei Enkelkinder, bald drei (ich werde im März 2012 Vater) und seine Enkelkinder lieben ihn und er die beiden. Wäre wahrlich toll, wenn ihr mir Tipps geben würdet. Vll auch Kontakte hier in der Ecke Bonn/Siegburg (auch Köln wäre ok).
    Vielen Dank vorab!!!!!

    Viele Grüße

  • Hi Mason,

    mir fällt da ein Arzt ein welcher zu mir sagte :

    "Alkoholismus ist die einzige Krankheit, die nur vom Betroffenen selbst diagnostiziert werden kann."

    Denkt an Selbstschutz und kümmert euch um euer Leben, zieht entsprechende Konsquenzen um mit der Situation zurecht zu kommen. Ihr habt nun mehrfach euer Interesse signalisiert, aber man kann niemanden Hilfe aufzwingen - keine Krankheit mit krankhaftem Verhalten bekämpfen.

    Ich bin mir sicher da findet sich Haufen Artikel, Ratgeber, whatever für Angehörige von Suchtkranken, lies dich mal in die Thematik ein.

    Lieben Gruß :smiling_face:

  • Dankeschön für Deine Antwort, Germ.

    Das was mir halt, und auch meinem Bruder, zusätzlich in der Angelegenheit zu schaffen macht, ist einfach die Tatsache, daß wir ihn nicht vor die Hunde gehen sehen wollen. Im Prinzip hat der Arzt, der daß mal zu Dir sagte, recht. Das ganze ist eine so beschissene Situation als Angehöriger.

  • Hallo Mason,

    ich finde es sehr toll, wenn sich Kinder so um ihre Eltern sorgen. Wenn es auch schwer zu verstehen ist, müssen sich Angehörige aber immer erst selbst schützen, gerade wenn es um Suchterkrankungen geht.
    Man kann es sehr gut nachvollziehen, ihr habt eure Mutter erst verloren und euer Vater kommt eventuell über den Alkoholkonsum in eine krasse Problemzone.

    Was der besagte Arzt von sich gegeben hat, ein Alkoholiker könne nur sich selbst helfen, trifft im Großen und Ganzen leider zu.
    Im Grunde macht ihr alles schon ganz gut, doch ist es eine Gratwanderung, die richtigen Worte für deinen Vater zu finden.
    Damit meine ich, wenn ihr euren Vater zu sehr unter Druck setzt, wird man vermutlich genau das Gegenteil erreichen.

    Als einzige Idee fällt mir daher ein, dass er zusammen mit eurem Vater eine Suchberatungsstelle vor Ort aufsucht.
    So bekommt er wichtige Informationen von einem Fachmann und es "Nerven" nicht immer nur seine Söhne.
    Was er daraus macht, das muss euer Vater aber ganz alleine entscheiden.

    Es dürfte schwer werden, euren Vater irgendwo unterzubringen, wenn er nicht selbst freiwillig dazu bereit ist.
    Gegen seinen willen ist es fast unmöglich da was zu unternehmen, es dürfte weder Eigen Gefährdung noch Fremdgefährdung vorliegen.

    Trotzdem ist es sehr wichtig, dass euer Vater genau weiß das auf euch zählen kann.

    Liebe Grüße
    Franz

  • Hallo Franz,

    vielen Dank für Deine Hilfe vorab. Mein Bruder und ich wollen mit ihm die Tage noch mal in aller Ruhe reden. Immerhin hab ich ihn eben soweit bekommen und er hatte auch schon selbst überlegt, eine Kur/Reha zu machen.

    Gibt es eigentlich auch sowas wie Entziehungs- Aufbaukuren/Rehas? Da die Rede bisher nicht von so einer Entzugs-, AUfbaukur/Reha die Rede war, wir ihm das aber noch sagen wollen, würde mich das sehr interessieren.

    Da mir eben der Kragen geplatzt ist, als er mir sagte, daß er gestern Abend nur 3 FLaschen Rosé getrunken habe, bin ich aus der Wohnung und habe nur noch gesagt "Das wird ne lange Rente, wenn Du so weiter machst" und hab die Tür zugeknallt. Ich glaube jeder, der mal Alkoholprobleme hatte, weiß, wie es aussieht, wenn man von "versoffenem Gesicht" spricht. Mal von der Artikulation abgesehen.

    Und heute Morgen hat er sich direkt 5 neue Flaschen gekauft, von denen er zwei in die Abstellkammer gestellt hat, eine in den Kühlschrank, eine weitere in seinen Arbeitskoffer und eine andere in den Wohnzimmerschrank. Ganz großes Tennis.

    Ich weiß ja nicht, ob es etwas bringen würde, aber wenn ich ihm davon erzähle, daß er durch mich nächstes Jahr auch zum Opa wird er aber nur "clean" dann von dem Kind etwas haben wird? Er liebt seine beiden bisherigen Enkel über alles, von daher.

    Das er auch ohne kann, hat er mir/uns ja letzten Sommer gezeigt, als er mal für einige Wochen, bis zum Tode meiner Mutter, komplett ohne Alkohol ausgekommen ist. Er wurde fitter, sah besser aus und aß wie ein Weltmeister.

    Ich bin Euch allen auf jeden Fall so dankbar für Eure Unterstützung und die Ratschläge!!!!!! Danke, danke, danke!!!


    Gruß

    Thomas

  • Hey Thomas,

    is ne Scheiss Situation - für jeden Beteiligten.

    Wie dein Vater generell zum Thema Alkohol steht wird aus dem geschriebenen nicht ersichtlich, um beurteilen zu können ob er sich selbst im Innern eingestehen kann, ein Problem zu haben, aber davon geh ich einfach mal aus, bei einem Konsum von 3-4-5 Flaschen Wein am Tag zwingt einen mindestens das übelste Körpergefühl dazu, zu bemerken, das was falsch läuft.

    Von Reha oder ähnlichem zu reden halt ich für angemessen, denn das Wort Therapie, worauf es bestenfalls hinauslaufen wird, ist oftmals belegt mit zu vielen Vorurteilen.

    Aber hm, letztendlich gibts zuwenig Informationen, ausserdem wollt ich eigtentlich nur sagen, daß ich es nicht gut finde deinen Vater unter Druck zu setzen mit dem Enkel, aber durchaus kannst du es wahrheitsgemäß formulieren a la: "da ich nicht damit klar komme, dich zu sehen wie du dich zugrunde richtest, wird die logische Konsequenz sein, daß du deinen Enkel nicht so häufig sehen wirst, wie du es dir vll wünschst"

    Hört sich dann doch wie die Waffe auf der Brust an, aber vermittelt halt direkt wie es dir geht und wie sich sein Verhalten auswirkt.

    Gruß

  • Ich denke, so wie auch mein Bruder, nimmt er den Rosé als Stressbewältigung und um evtl. Probleme zu verdrängen. Was anderes ist es ja nicht.

    Ich habe das große Glück, daß der Stiefopa meiner Verlobten selbst Alkoholiker war und in Bonn, in der LVR-Klinik einen 4 monatigen, stationären Entzug gemacht hat und anschließend noch längere Zeit zur Gruppensitzung gegangen ist und er ist im Mai diesen Jahres 7 Jahre trocken und sehr froh darüber.

    Ok, das mit dem Enkel war im ersten Moment sicher falsch. Aber ich war, wie immer wenn es darum geht, in Rage. Deine Idee, wie ich es anders rüberbringen könnte, ist gut.

    Mein Bruder und ich wollen mit ihm auf jeden fall vorher noch mal in aller Ruhe reden. Da er im November auch in Rente gehen wird, und wir uns schon vorstellen können, wie die Rente dann aussieht, und wir beide - auch die Enkel - sehr gerne noch viele Jahre was von ihrem Vater/Opa haben wollen, MUSS was passieren. Das er auch ohne kann, hatte ich ja schon mal geschrieben, hat er mir ja letzten Sommer bewiesen. Gut, dann kam der Tot meiner Mutter dazu und ab dann ging es eigentlich kontinuirlich wieder mit dem Rosé-Pensum hoch.

    Ich danke EUCH, die bisher so tolle Antworten geposted haben und ich melde mich wieder, sobald ich das Gespräch, gemeinsam mit meinem Bruder und unserem Vater geführt habe.


    Viele Grüße

    Thomas

  • Hmmmmm,

    ich würde mal probieren, ob es zu nem guten Gespräch zwischen dem Stiefopa, der trocken ist und eurem Vater kommen kann.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass er bei euch schnell abblockt - immerhin seid ihr ja "seine" Kids & da läuft der alte Verantwortungsfilm!
    Gebt ihm Lektüre - bei mir hat es damals geklingelt, als ich raffte, dass Alkoholismus etwas ist, dass jeden treffen kann.

    Versucht ihm klar zu machen, was ein Umstieg es ist, in Rente zu gehen & wie schnell man da seinen neuen Tagesablauf zementiert hat;
    wir hatten bei meinem Vater alle schwerste Bedenken - Belohnungstrinker & Workoholic - der hat die Kurve aber prima gekriegt.

    Viel Glück für das Gespräch und überhaupt! LG.Ganesha

  • Das Gespräch zwischen dem Stiefopa und meinem Vater haben wir auf jeden Fall eingeplant dann in naher Zukunft.

    Eben drum, in der Rente hat man Zeeeeeeit ohne Ende und da haste dann schnell mal 3-4 Flaschen am Tag von dem Zeug geleert. Könnte ich mir zumindest sehr gut vorstellen, leider :frowning_face:

    Meinst Du spezifische Lektüren oder generelle, so wie in etwa Infoblätter?

    Freut mich, daß dein Vater es geschafft hat!!!!


    Danke auch Dir!!!!

  • Also mir hat damals das sogenannte gelbe Buch der Anonymen Alkoholiker sehr geholfen.
    (Keine Ahnung, ob es das noch gibt, vermutlich aber schon).
    Das war sehr sachlich geschrieben, listete die verschiedenen Arten von Alkoholismus auf - Wiedererkennungswert war groß.
    Ist halt wichtig, zu begreifen, dass man da ein Problem hat - gegen das man SELBST angehen kann.

    Vielleicht kann man auch da ansetzen, dass man ihn mit anderen Trauernden zusammenbringt, denn das wird wohl ein Großteil seiner inneren Leere sein, die er da mit Wein versucht aufzufüllen.

    LG.Ganesha

  • Die Trauer ist auf jeden Fall auch ein Faktor. Das ist mir auch bewusst, daß er seine Frau vermisst - auch wenn er weiß, daß es so am besten für sie war.

    Also ich finde jetzt nur das blaue Buch (Anonyme Alkoholiker) bei google.

    Anonyme Alkoholiker im deutschsprachigen Raum

    Ich denke, wenn wir ihn dazu bekommen, er selbst sagt, daß er es einsieht und will, in der Bonner LVR Klinik einen stationären Entzug zu machen und dort zum einen Betroffene trifft und dort auch seine Ängste, Sorgen und Leiden auf den Tisch legen wird, wird ihm das sehr gut tun und helfen. Immerhin sind es 4 Monate, die er fast ausschließlich stationär verbringen wird - zwar mit Ausgang und Freizeit, aber halt alles dann mit Alkoholtest bei der Rückkehr

  • Jo, ich denke mal, das ist - in überarbeiteter Form - wohl das Gleiche; bei mir ist das inzwischen über 20 Jahre her.

    Viel Glück wünsche ich euch allen. LG.Gane

  • Tach,

    an dieser Stelle rate ich von den AA ab, nicht im Allgemeinen, aber sollte dein Vater keinen oder einen "gestörten" Bezug zur Religion haben.

    Kommt der sich am Ende noch wie iner Sekte vor, der Arme :grinning_squinting_face:

  • Ist ein wichtiger Gesichtspunkt - ich konnte "live" mit denen auch nicht!

    Wobei es mir am Anfang half, zu wissen: Da ist ein Anlaufpunkt...

    LG.Gane

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