Trocken bleiben - aber wie?

  • Hallo zusammen,

    ich bin seit 6 Wochen trockene Alkoholikerin. Meine Therapie und die Entgiftung verliefen soweit erfolgreich. Allerdings ist mein Verlangen nach Alkohol in manchen Situationen doch noch groß.
    Eine gute Bekannte hat mir mal von einem Medikament dagegen erzählt, dass man wohl vom Hausarzt verschrieben bekommen kann.
    Habt ihr zufällig mal was davon gehört?

    VG

  • Hi,

    von dem Medikament habe ich nix gehört & ich halte es - aus eigener Erfahrung - für gefährlich, wenn man trocken ist, wieder mit Substanzen anzufangen.
    Der Suchtdruck ist ganz normal und du lernst mit der Zeit, damit umzugehen...
    Alles, was du brauchst, ist ein ganz ganz großes NEIN!!!

    Schaffe dir Abwechslung, gehe viel nach draußen: Regelmäßig eine Stunde spazierengehen zumBspl. verschafft dir durch Luft und Licht eine wesentlich bessere Grundstimmung.

    Wünsch dir was & glaube mir, dass läßt nach mit dem Druck, ich sehe mittlerweile weder Kneipenschilder noch die Suffbatterien im Supermarkt als bedrohlich an;
    irgendwann ist dir das gleichgültig.Es ist einfach "nimmer deines", geht dich nix mehr an...

    LG.Ganesha

  • Hallo Mary-Rose,dieses Medikament von dem Du gehört hast gehört mit Sicherheit zu der Gruppe der Benzoes.Habe ich auch einige Tage genommen weil es an die selben Stellen im Gehirn andockt wie Alkohol aber es macht wiederum auch Süchtig und darum Finger von soetwas.Du hast den Entzug hinter Dir also lass die Finger von solchen Sachen.Ich habe es nur genommen weil ich den Alkohol kalt entzogen habe und glaube mir immer wenn ich im Supermarkt am Spirituosenregal vorbeigehe,bekomme ich immer noch feuchte Hände aber das hört irgendwann auf.Bleib stark und lass Dir vom Arzt nicht irgendwas wiederum süchtigmachendes geben. LG Si

  • Hallo ihr beiden,

    vielen Dank für eure Antworten. Ich habe mal etwas nachgeforscht. Das Mittel, von dem meine Bekannte gesprochen hat, heisst Campral. Angeblich unterdrückt es lediglich die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn und mindert somit das Verlangen nach Alkohol. Anscheinend soll dieses Mittel sehr gut verträglich sein und nicht süchtig machen. Sie empfahl mir, meinen Hausarzt darauf anzusprechen. Ich bin mir noch etwas unsicher... finde es aber grundsätzlich nicht falsch, ein Medikament zur Unterdrückung des Saufdrucks zu nehmen.

    An meinem Vorhaben, trocken zu bleiben, ändert das ja nichts. Bedenklich finde ich es nur, wenn das Medikament heftige Nebenwirkungen hätte.

    Liebe Grüße

  • Hallo
    Wenn das Mittel keinen Suchtfaktor hat und es Dir hilft,nichts gegen einzuwenden,allerdings habe ich noch nie von einem Medikament gehört das den Suchtdruck nimmt und keine anderen Nebenwirkungen oder Suchtfaktoren hat.Also schön vorsichtig sein.Mir hilft gegen die Hibbeligkeit ganz gut Kümmeltee und Baldrian. LG Si

  • Hallo Mary-Rose,
    Ich kenne neben Campral noch Antabus,ein Medikament welches das Verlangen, Alkohol zu trinken senkt.Wobei beide Hammernebenwirkungen haben.Bei Antabus sogar tödliche,falls Alkohol getrunken wird.Googel die beiden doch einfach mal.Ich persönlich finde es eine gute Sache,grade die erste Zeit,diese "Krücke" zu haben.Ein Freund von mir bekommt es.
    Ganz wichtig war mir persönlich eine gute Betreuung durch meinen Arzt.
    Ach so,ich bin ganz neu hier.Habe keine eigenen Erfahrungen mit Alkoholantagonisten.Bin opiatabhängig und bekam eine zeitlang Nemexin.Ein Opiatantagonist.Und nur das Wissen,dass ich nichts merken würde wenn ich was konsumiere bzw.mich in akkute Lebensgefahr begebe,hat mich davon abgehalten.Der Suchtdruck war dann nicht ganz so schlimm.Habe ich jedenfalls so empfunden.Vielleicht weil ich sowieso nichts gemerkt hätte.Somit stellte sich mir gar nicht die Frage,das ich jetzt konsumiere..
    Und so blöde das jetzt klingt, und ich glaube Sucht ist Sucht,ob Alkohol oder Drogen,
    die erste Zeit heißt es aushalten.Nicht an morgen,übermorgen denken oder Horror,nächstes Jahr,sondern einfach den heutigen beschissenen(sorry)Alkohol oder drogenfreien Tag rumkriegen.Das tat mir gut.Wobei ich die Menschen gehasst habe die mir mit mit so tollen Sprüchen "du musst nur aushalten" kamen.
    Ganz viel Kraft Dir.
    Liebe Grüße Tina

  • Hi Mary,

    ich finde halt, es ist das Aushalten wert.
    Erstens steigert es das Selbstbewußtsein mit der Zeit, wenn man merkt: EY - es geht OHNE Hilfsmittel.
    Zweitens ist es halt so, dass du dich nun gerade erfolgreich durch den Entzug gequält hast & dein ganzes System einfach Zeit braucht,
    um sich wieder einzupegeln...
    MEINER Meinung nach unterbricht man diese Selbstregulierung durch diese Art von Medis.

    Aber diese Entscheidung kann dir keiner abnehmen.
    Ich finde Vertrauen zu nem Doktor unbedingt wichtig, aber es sollte ein kritisches Hinterfragen beinhalten...
    Bloß weil der Doc zum Rezeptblock greift, ist es noch lange wirklich angesagt, das Medikament - ohne nachzufragen - zu nehmen...

    Wie gesagt, wir können hier nur Entscheidungshilfen geben.
    Was mir geholfen hat, kann für dich absolut verkehrt sein.

    LG.Ganesha

  • Hallo Mary Rose :wink:

    zunächst einmal würde ich ganesha zustimmen, zu dem beschriebenen Medikament CAMPRAL gibt es jedoch ebenso eine interessante Feldstudie mit Alternativen zum Suchtdruck. Medikamente sind nicht nur die einzige Lösung. Das beschriebene Medikament wird innerhalb der Studie mit anderen (Anti-) Suchtdruck-Strategien verglichen.

    Hier ist sie (die Feldstudie!): (klick klick klick) http://www.zab-gesundheitsberufe.de/jcms/images/pd…_suchtdruck.pdf

    G24h - nur für heute :63:

    Mickey

  • Hallo ihr Lieben,

    vielen Dank für euer reges Feedback und ganz besonderen Dank an Mickey für die Studie...

    Wenn ich mir die Studie durchlese, bin ich erst einmal erleichtert, dass Campral (so heisst das Mittel) "alle Anforderungen einer Anti-Craving-Substanz" erfüllt. Das heisst, Campral hat demnach keine ungewünschten Nebenwirkungen und macht nicht abhängig. Zweitens finde ich die Grafik, in der die Abstinanzrate dargestellt wird, auch sehr interessant, belegt sie doch, dass die Abstinenzrate deutlich über der der Testpersonen ist, die nur ein Plazebo benutzt haben.
    Klar sind Medikamente nicht die einzige Lösung. Aber vielleicht können sie ja unterstützend eingesetzt werden, neben all den anderen Maßnahmen...
    Selbstverständlich würde ich eine medikamentöse Unterstützung genau mit meinem Arzt durchsprechen und ihn fragen, ob er das Produkt empfehlen kann...

    Liebe Grüße

    Mary

  • Hallo Mary_Rose,

    grundsätzlich kann ich Dir nur raten, JEDES Medikament mit einem Arzt, dem Du vertraust, abzusprechen. Du solltest auch durchaus kritische Fragen zu Nebenwirkungen oder Verträglichkeit stellen.
    Du findest aber bestimmt auch im Internet einige brauchbare Infos zu Campral. Informier Dich umfassend und sprich alles mit Deinem Doc ab.
    Dann ist gegen Campral sicher nichts einzuwenden.

    Viele Grüße

    Willi

  • Zum einen ist Baclofen derzeit immer im Gespräch, hab vor nicht all zu langer Zeit das Buch von Olivier Ameisen "Das Ende meiner 'Sucht" gelesen.
    [ISBN]3888975859[/ISBN]

    Sicher ein Ansatz, aber da verhält es sich genauso, wie ich 'Substitution nur bei wirklich Schwerstabhängigen verabreichen würde - mir geht das heute oft viel zu schnell.

    Bei Campral geht es um folgende Stoffe:

    Zitat

    ZNS-wirksamer Stoff (Acetylhomotaurin-Calcium), dessen chemische Struktur derjenigen von Aminosäuren wie Taurin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ähnelt, die als Neurotransmitter fungieren.

    Es sollte aber klar sein, es gibt kein Wundermittel, was 'Alkohol ersetzt und wenn man es nimmt, dann wird es irgendwann auch abgesetzt.
    Es ist eine künstliche Überbrückung, sollte also erst eingesetzt werden, wenn nach mehreren Rückfällen klar ist, es geht nicht anders ...

    'Benzos, also ich weiß nicht woher dieser Gedanke überhaupt kommt, das empfiehlt doch keiner!
    Was soll das auch bringen?
    Dann bist dich von 'Benzos, aber es hält doch nicht vom Alk ab und wenn ja, dann nur,m weil man in der nächsten 'Sucht drinnen hängt.

    Mary, ich kann dir gern die Fachinfo zu Campral per Mail zukommen lassen, aber ich persönlich halte nicht viel davon, weil die Behandlungszeit normal auf ein Jahr begrenzt sein soll.

    Wie und wo hast du entzogen?
    Was ist mit anschließender Therapie?

    LG Franz

  • Zitat von Franz;166974

    Sicher ein Ansatz, aber da verhält es sich genauso, wie ich Substitution nur bei wirklich Schwerstabhängigen verabreichen würde - mir geht das heute oft viel zu schnell.


    Lieber Franz,

    mittlerweile geht Baclofen weit über einen Ansatz hinaus. Aktuell erhält Prof. Philippe Jaury jetzt vom PHRC, dem Krankenhaus-programm für klinische Forschungen (Ministerium für Gesundheit und sozialen Schutz) die Mittel für eine klinische Studie mit Baclofen. Die vom Gesundheitsministerium finanzierte klinische Studie, wird vorerst für ein Jahr und ausdrücklich erwähnt, hoher Dosierung mit Baclofen, an der Universität Descartes, Paris durchgeführt. Derartige Studien (Clinical Trial IV) werden nur finanziert wenn begründete Aussichten bestehen. Aktuell

    Mit Benzos stimme ich mit Dir klar überein, Baclofen ist natürlich auch kein Wundermittel aber derzeit das einzige Anti-Craving-Medikament ohne Abhängigkeitspotenzial. Olivier Ameisen nimmt es seit 2004 und denkt nicht daran, es abzusetzen. Nach über 40 Jahren Erfahrung mit diesem Medikament gibt es keinerlei Anhaltspunkte für Schädigungen psychischer oder körperlicher Art. Du erwähnst Substitution in einem Atemzug mit Baclofen. Das kann nur bedeuten, daß Du die Wirkweise von GABA-B-Agonisten nicht verstanden hast, was sich aber leicht nachholen lässt. Im Unterschied zu Methadon erzeugt Baclofen analog zu Alkohol keine dem Heroin ähnliche Wirkung und führt weder zu Beigebrauch oder Toleranzentwicklung noch Entzugsproblematik. Baclofen unterdrückt lediglich und sehr wirkungsvoll den zu recht gefürchteten Suchtdruck. Wie wir alle wissen, kann der nach 2 Tagen oder 20 Jahren Trockenheit immer wieder überraschend zuschlagen. Beispiele hierzu kenne ich mehr als genug.

    Ach so, mir geht die Entwicklung neuer Wege übrigens nicht schnell genug. Angesichts von 2,5 Mio abhängig trinkender Menschen und 70.000 alkoholbedingter Todesfälle in der BRD auch kein Wunder.

    LG Federico

  • Meine Güte, habe Ähnliches auch hinter mir aber manche Menschen machen aus ihrer Sucht anscheinend auch sowas wie einen Lebensinhalt. So viel geballtes Fachwissen........alle Achtung.

  • Normal sollten wir das Thema an der Stelle nicht so diskutieren, weil da immer ein eigenes Thema besser wäre :winking_face:
    Da aber der Themenersteller nicht mehr aktiv ist, kann man es mal ausnahmsweise machen ...

    Ich denke da haben wir uns missverstanden - Du erwähnst 'Substitution in einem Atemzug mit Baclofen - der Vergleich galt nicht der Substanz an und für sich, eher eben dem entgegenwirken einer Suchterkrankung über externe Mittel.
    Also hast du natürlich vollkommen Recht, Substi ist was anderes.

    Aber 'Substitution führt auch nicht unweigerlich zu Beigebrauch :winking_face:

    Trotzdem ist für mich noch abzuwarten, was die ganzen Studien wirklich aussagen.
    Das Baclofen ein Weg sein könnte, das ist klar.
    Das es nicht schnell genug geht, egal ob es dieses Mittel ist oder generell das ausschöpfen aller Möglichkeiten für Abhängigkeitserkrankungen, da stimmen wir wieder voll überein.
    Aber gerade bei 'Alkohol wundert mich das nicht sonderlich, es ist nun mal ein Stoff wie 'Nikotin, wo der Staat kräftig verdient :frowning_face:

    LG Franz

  • Hallo Franz,

    Substitution führt nicht unweigerlich zu Beigebrauch, allerdings relativ häufig. Tatsache ist auch, Substis die keinen Beigebrauch mit „H“ benötigen, weichen sehr oft auf Alkohol, das vermeintlich kleinere Übel aus. Wenn die wüssten ...

    Der Staat verdient über die Steuereinnahmen kräftig mit, alles in allem ca. 7 bis 10 MRD Steuereinnahmen pro Jahr. Andererseits schätzte das Robert Koch Institut 2004 den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden auf 20 Milliarden Euro; Michael Adams schätzt die direkten Kosten bei Alkoholsucht (Behandlungskosten der verursachten Krankheiten) auf zehn Milliarden Euro, die Folgekosten (Arbeitsausfall, Frührente, Krankentagegeld) belaufen sich auf 16,7 Milliarden Euro. Andere Schätzungen kommen auf 15 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr.


    Ein schlechtes Geschäft, wenn man es mal so sieht.

    LG Federico

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!